- Sonntag im Jahreskreis, 31.07.2016 – Zum Evangelium nach Lukas 12, 13-21
Zwei uralte Sprüche fallen mir spontan zum heutigen Evangelium ein. Der erste Satz lautet: „Haste was, biste was.“ Der zweite: „Das letzte Hemd hat keine Taschen.“ Und zwischen beide Sätze passt das heutige Evangelium.
Es ist sicher menschlich, nach einer gewissen Form von Sicherheit und Bequemlichkeit zu streben. Es ist legitim und weitsichtig. Bis zu einem bestimmten Grad. Diesen Grad beschreiben Fachleute wohl gerne als „Schere zwischen Arm und Reich“, die immer weiter auseinanderklafft. Die Fachleute weisen auch gerne darauf hin, dass ein ganz geringer Prozentsatz der Bevölkerung über das meiste Vermögen verfügt. Diese Zahlenspiele berühren mich nur am Rand, denn meist sind diese Zahlen so unvorstellbar groß, dass mir ohnehin schwindelig wird. Es wird mir besonders dann schwindelig, wenn ich im Radio gerade so eine Meldung gehört habe, und kurze Zeit später steht ein offenkundig nicht wohlhabender Mensch vor mir und fragt mich, ob ich ein paar Cent übrig hätte.
Sicher, man kann jetzt soziologische Forschungsreihen damit bemühen, was wohl passieren würde, gäbe man diesem Menschen jetzt ein kleines Vermögen in die Hand. Und es mag sein, dass manch ein Mensch mit sehr viel Geld gar nicht sinnvoll umgehen kann. Für mich selbst kann ich es kaum beurteilen, wie soll ich es dann für mein Gegenüber entscheiden können?
Es ist noch gar nicht lange her, da war ich beim Bäcker. Und durch die Scheibe sah ich auf Hunger in menschlicher Gestalt. Da war einer nicht heiß auf ein paar Cent für eine Zigarette oder Alkohol. Da hatte jemand ein ganz simples Loch im Bauch. So wie ich. Nur viel größer. Zwei Brötchen waren sein einziger Wunsch. Und – vielleicht – einen Kaffee. Kein Vermögen. Aber das Strahlen in seinem dankbaren Blick wärmt mich bis heute. Es ist so tief in mir, dass ich es gar nicht in mein letztes Hemd stecken könnte. Es bleibt in mir, selbst, wenn ich gehe.
Jesus fragt uns im heutigen Evangelium: „Geht es dir gut? Schön. Dann sei damit zufrieden und schenke einem anderen etwas, was dieser nicht kaufen kann. Schenk ihm Liebe. Dafür gibt es kein Konto und keine Scheune. Aber ein Lächeln, welches Dich trägt und begleitet.“
Ihnen wünsche ich für heute und jeden Tag ein kleines, ehrliches, unbezahlbares Lächeln, welches Sie empfangen und weiterschenken können. Und genießen Sie dieses Guthaben, welches nicht verringert, nur vergrößert werden kann.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.