Zum Evangelium (Lk 2,41 – 52) vom Fest der hl. Familie am 26. Dezember 2021
Familie in der Pandemie: ständig 2G, genervt und gereizt. Eltern genauso wie Kinder. Ständig neue Regeln. Schon getestet oder noch nicht? Endlich geimpft oder lieber nicht? Zum weihnachtlichen Familientreffen – mit oder ohne die Großeltern? Bitte Kinder sofort von der Kita bzw. von der Schule abholen – wegen plötzlicher Quarantäne. Zum Kindergeburtstag – ja oder besser nein? Wird die nächste Coronawelle gebrochen – oder wird alles noch schlimmer?
2 G – auch in der hl. Familie? Ich denke an die Situation, von der das heutige Evangelium erzählt:
Maria: „Kind, warum hast du uns das angetan?“ Jesus: „Warum habt ihr mich gesucht?“ (Lk 2,48.49)
Auch in der hl. Familie geht es ganz normal zu, wenn aus Kindern Jugendliche werden. Beim zwölfjährigen Jesus ist das nicht anders. Er sucht sich – jenseits des Blickfelds von Maria und Josef seinen Weg. Er entdeckt die Distanz zu ihnen und diese haben Mühe, ihr Kind zu verstehen. So weit, so normal.
In diesem Zusammenhang fand ich bei der jüdischen Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) eine ungewohnte Deutung der weihnachtlichen Botschaft. Sie hilft mir, das heutige Evangelium von der hl. Familie anders zu verstehen. Die weihnachtliche Heilsbotschaft in den Worten von Hannah Arendt:
Fürchtet euch nicht, ihr seid „nicht geboren, um zu sterben, sondern im Gegenteil, um etwas Neues anzufangen“. (vgl. CHRIST IN DER GEGENWART Nr. 51 / 2021, S. 5)
Was das heißt – „geboren sein, um etwas Neues anzufangen“ – muss jede und jeder einzelne für sich im Laufe seines Lebens Schritt für Schritt immer neu entdecken – und leben. Und alle anderen, vor allem auch die Eltern, müssen es geschehen lassen und damit leben lernen. Dies schließt Konflikte mit ein, auch genervte und gereizte Reaktionen. 2 G völlig unabhängig von einer Pandemie! Sie gehören zum Leben mit Kindern, zum Leben in der Familie.
Der Neuanfang ist: ein Wunder! Und Familie ist der konkrete Raum für dieses Wunder.
Hannah Arendts Worte eröffnen mir einen neuen Aspekt der Weihnachtsbotschaft und eine Neuentdeckung der Familie – als Chance und als Wunder des Neuanfangs.
Und als eine Herausforderung! Ermöglichen und zulassen, dass mit der Geburt eines Kindes etwas Neues anfängt; das jedes Kind geboren ist, um etwas Neues anzufangen … Jeder Geburtstag – auch im Alter – erinnert an mein Geborensein: geboren, um etwas Neues anzufangen!? Eine Deutung, die es in sich hat.
Mit diesen Gedanken gehe ich anders in die kommende Woche und in ein neues Jahr …
Burkhard Schönwälder