- Sonntag im Jahreskreis, 15.01.2017 – Zum Evangelium nach Johannes 1, 29-34
Lamm Gottes.
Wie oft habe ich diese zwei Worte schon gehört und fortgesetzt: „Du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme Dich unser, gib uns Deinen Frieden“?
Man kann diesen Text sprechen und in evangelischen Kirchen wird er zumeist gesungen. Mancherorts mit besonderer Betonung auf dem Wort Sünde. Verstanden habe ich das nicht. Denn nicht die Sünde steht hier im Vordergrund, sondern das „Hinwegnehmen“. Mit dem Hinwegnehmen wird fehlen, was vom Frieden entfernt. Wenn Gott unter den Menschen ist, ist Frieden.
Mehrfach pro Woche fahre ich an einer Stelle vorbei, an welcher ein kleines Kriegerdenkmal vor einer größeren Kirche steht. Mit dem Bittruf an Jesus, das Lamm Gottes, kommt mir in den Sinn, dass beides nah beieinander liegt. Das Kriegerdenkmal erinnert an „glorreiche Feldzüge“. Ich halte es durchaus für eine der größten Sünden, als Staatsmensch einen Krieg zu beginnen. Dahinter türmt sich die massive Kirche auf. Von den Proportionen könnte man darauf schließen, dass das Werk der Liebe unendlich größer ist als das Werk des Hasses. Auf beiden Bauwerken haftet Moos. Am Kriegerdenkmal habe ich noch nie einen Menschen gesehen und von der Kirche weiß ich, dass sie geschlossen ist. Dieser Teil der Stadt hat zu einem ganz eigenen Frieden gefunden und doch ist es nicht der erbetene Frieden.
Johannes der Täufer berichtet im heutigen Evangelium wie ein Augenzeuge von seiner Wahrnehmung. Er hat Jesus als den erkannt, der die Welt mit dem Heiligen Geist taufen wird. Gerade aus dieser Erfahrung leitet Johannes den Schluss ab: Jesus ist „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ Lamm heißt in diesem Zusammenhang so viel wie „Opfer“. Jesu Leben wird geopfert, damit die Sünde hinweggenommen und das Leben Einzug halten kann.
Und was passiert, wenn ich diese Aussage wiederhole? Zu einem Zeitpunkt, der im Gegensatz zu der Johannes-Aussage sich nicht auf ein Ereignis bezieht, welches in der Zukunft liegt, sondern in der Vergangenheit? „Du nimmst hinweg die Sünde der Welt.“ Heute, jetzt, hier. Ich bitte um den Frieden und wenige Augenblicke später liegt eine Hostie in meiner Hand. Gott gibt sich mir in die Hand. Mit der Hand greifbar, vielleicht auch gedanklich begreifbar. Von einem Pastoralreferenten erfuhr ich, dass er mitunter ganz bewusst beim Spenden der Kommunion die Hand des Menschen berührt, der um die Kommunion bittet. Diese kurze Berührung erzähle ihm sehr viel über die Befindlichkeiten seines Gegenübers. Man merke Anspannung wie Gelassenheit und man merke es sehr schnell. Ich finde das bewundernswert. Denn bei dieser Geste wird deutlich, dass es kein anonymes Handeln ist, welches vollzogen wird, sondern dass sich der Kommunionhelfer tatsächlich dafür interessiert, wie es einem konkreten Menschen vor ihm aktuell geht – obwohl ein Gespräch zu diesem Thema an dieser Stelle wirklich nicht vorgesehen ist. Wie viel Frieden ist in diesem Moment, da das Lamm Gottes von einer Hand zur anderen gereicht wird. Ein Gedanke, der kein Moos ansetzt und der von einer Beziehung erzählt, die jedes Bauwerk überdauert.
Ihnen wünsche ich, dass Sie an diesem Lamm Anteil haben können.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.