26. Sonntag im Jahreskreis, 28.09.2025
Zum Evangelium nach Lukas 16, 19 – 31
19 Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. 20 Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. 21 Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. 22 Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. 23 In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. 24 Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. 25 Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. 26 Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. 27 Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! 28 Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. 29 Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. 30 Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. 31 Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.
Stellen Sie sich vor, sie sind Teil eines Gerichtes. Sie sind Richterin, Richter oder als Schöffe verpflichtet. Sie sollen urteilen. Was bleibt Ihnen anders übrig, als Beweise zu erheben? Dazu kennt das hiesige Recht normalerweise fünf Wege: Sachverständige, Augenschein, Parteivernehmung, Urkunden und Zeugen. Da merkt man schon beim ersten Durchlesen: Das kann klappen, muss aber nicht. Selbst als gewissenhaftestes Gericht ist man begrenzt. Man kann nicht die Zeit zurückdrehen, selbst ein Beweisfoto oder ein Film zeigt immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit, Menschen können sich nicht nur irren, sondern machen von dieser Möglichkeit regelmäßigen Gebrauch, Urkunden können zwar echt sein, aber veraltet und durch andere, nicht auffindbare ersetzt worden sein. Worauf vertrauen Sie? Woran richten Sie sich aus? Schon jetzt ist klar, warum manch eine Richterbank üppig bestückt sein muss, wenn aus dem Urteil drastische Folgen abzuleiten sind.
Was aber, wenn nicht eine isolierte menschliche Handlung vor einem Fachgericht zum Urteil heransteht, sondern gleich die Frage, ob das eigene Leben in die Ewigkeit oder das Verderben führt?
Jesus macht im Evangelium nicht nur deutlich, dass der Urteilshorizont des Menschen fehlbar ist. Von den Toten auferstehen. Wie wahrscheinlich ist das denn, bitteschön? Was so dermaßen unwahrscheinlich ist, kann doch nicht als Beweis dienen. Und wenn die Ewigkeit bei Gott nicht bewiesen werden kann, fehlt es zugleich am Beweis für ein fürchterliches Verderben, ob man es nun als Fegefeuer, Hölle oder sonst wie bezeichnet. Was sind Christen also für komische Menschen, wenn sie sich von der Erzählung, Jesus sei von den Toten auferstanden, beeindrucken lassen? Warum verzichten, wenn kein Mensch beweisen kann, dass Jesus tatsächlich auferstanden ist? Das, was die Bibel als erzählten Beweis anbietet, wäre vor keinem Gericht schlüssig und zweifelsfrei, bisweilen vielleicht als Beweis erst gar nicht zulässig.
Also: warum sich um das scheren, was im Evangelium steht? Warum bei Mose und den Propheten mühsam nachschlagen? Warum das eigene Leben darauf ausrichten, was man laienhaft aus den vielen uralten Worten ableiten kann?
Es ist weit mehr als die Hoffnung darauf, dereinst in einer ewigen Gemeinschaft mit Gott leben zu können. Es ist eine Entscheidung dafür, dass etwas von diesem utopisch guten Leben nach dem Tod schon im Leben vor dem Tod spürbar wird. Mal angenommen, es wäre halbwegs ausgeglichen zwischen dem Reichen und Lazarus gewesen. Der wörtlichen Erzählung zufolge könnten sie es sich nach dem Tod im Schoße Abrahams gemütlich machen. Das klingt in der Tat nicht notwendigerweise wie ein schlagender Beweis. Aber zu Lebzeiten hätte der Reiche nichts verloren und Lazarus etwas gewonnen. Für mich klingt das nicht wie ein gerichtsfester Beweis. Aber wie eine wertvolle Harmonie, die ich in meinem Leben hören möchte.
Tim Wollenhaupt