Zum Evangelium Mk 1, 21-28 am Sonntag, dem 1.2.2015
Wenn ich einen Impuls zu einem Evangelientext verfasse, dann geschieht es gelegentlich, dass ich mich ganz spontan hinsetzen und meine Gedanken niederschreiben kann, weil sie mir einfach so aus der Feder fließen. Häufiger aber ist es so, dass ich das Evangelium eine Weile „mit mir herumtrage“, d.h. ich lese die Perikope ein- oder mehrmals und nehme sie mit in meinen Alltag, um zu schauen, was der Text mit meinem Alltag macht und umgekehrt, was der mein Alltag mit dem Text macht. So auch diesmal wieder.
Gedankenbilder fliegen durch meinen Kopf, Ausschnitte aus Filmen, die mir zu abstoßend waren, um sie komplett zu sehen; der Eindruck, dass „unreine Geister“ uns auf die vielfältigste Weise im öffentlichen wie im ganz privaten Leben alles andere als fremd sind … aber ein Gedanke ist es, der immer wiederkehrt und sich mit einem Wortpaar überschreiben lässt: MACHT-LOS und VOLL-MACHT.
Gleich zweimal, gleichsam wie ein inhaltlicher Rahmen, weist Markus auf Jesu VOLL-MACHT hin: „denn er lehrte sie wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat“ (V 22) und „Hier wird mit Vollmacht eine neue Lehre verkündet.“ (V 27). Die Erzählung von der Austreibung der bösen Geister dient offensichtlich dazu, diese Vollmacht beispielhaft zu untermauern und zu verdeutlichen, dass Jesu absolute Liebe in Wort und Tat alles Zerstörerische überwindet.
VOLL-MACHT ist also das eigentliche Thema des Sonntagsevangeliums. Der Alltag spiegelt häufig viel eher die Erfahrung des MACHT-LOS Seins wider: Rohe Gewalt, sinnlose Tode, ideologische Verblendung und falscher Stolz, Wut, Neid, Sturheit, Abstumpfung … Die „unreinen Geister“ scheinen die Macht übernommen zu haben, der Hydra scheinen immer neue Köpfe zu wachsen, der Kampf gegen die Übermacht der Probleme scheint aussichtslos. Die gefühlte MACHT-LOS -igkeit macht MUT-LOS!
Im Evangelium erkennt der unreine Geist (er spricht bezeichnender Weise von sich als „wir“, denn er ist so eine „Hydra“!) Jesus als den, dem er nichts entgegenzusetzen hat, gegenüber dessen VOLL-MACHT bei allem Drehen und Winden nur der Rückzug bleibt.
Jesus sagt uns immer wieder das LEBEN in FÜLLE, „VOLL DAS LEBEN“, zu. Lassen wir/lasse ich zu, dass diese VOLL-MACHT in und durch uns/in mir und durch mich wirksam sein kann?
Wer schon einmal in seinem Leben mit Zwängen und Ängsten zu tun hatte, die er/sie hinter sich lassen konnte, hat eine Ahnung von dem „vollen Leben“, dem Leben in Fülle, spürt, wie kleingeistig es ist, die Möglichkeit des Befreitseins zum Leben als Illusion abzutun!
Wie heißt es so schön in der bekannten Werbung: „Nichts ist unmöglich!“ – Stimmt! Dem VOLL-MÄCHTIGEN ist NICHTS UNMÖGLICH! Warum nisten sich dann immer wieder diese „unreinen Geister“ ein, die uns/die mir weismachen wollen, dass diese Zusage des Lebens in Fülle mir/uns nicht (oder nur bedingt) gilt? Der Gedanke ist wohl zu „un-glaub-lich“, überschreitet unsere Vorstellungskraft! Bezeichnender Weise ist die erste Reaktion der Menschen auf das Erkennen von Jesu Vollmacht auch Betroffenheit und Erschrecken (vgl. V 22 und V 27)!
Was geschähe wohl, wenn wir sie VOLL in uns und durch uns wirken ließen, seine MACHT? Ein spannender Gedanke, oder?
Maria Schmale
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.