16. Sonntag im Jahreskreis, 20.07.2025
Zum Evangelium nach Lukas 10, 38 – 42
38 Als sie weiterzogen, kam er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. 39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. 40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! 41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. 42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.
Meine Mutter hat einen Garten. Sie erwartete liebe Gäste. Das Wetter schien warm, trocken und angenehm zu werden. So deckte sie innen für den möglichst fliegenfreien Kuchenimbiss und außen für das anschließende gesellige Beisammensein.
Wie die Gäste kamen, zeigte sich, dass diese die Wetterlage anders vermuteten. In Befürchtung um kältere Windböen, die womöglich zum Frösteln führen könnten, entschieden sich alle Gäste dazu, an der Kaffeetafel sitzen zu bleiben. Als das Treffen kurz vor der Auflösung war, wollten die Gäste dann doch einen Blick in den Garten werfen. Dabei stellten sie fest, dass es vielleicht doch ganz schön gewesen wäre, auch noch den gedeckten Tisch im windgeschützten Außenbereich zu nutzen. Doch ob der fortgeschrittenen Stunde entschieden sie sich gegen eine beginnende Nachtschicht und brachen auf. Alles umsonst gedeckt.
Oder doch nicht? Wie mir scheint, hat meine Mutter sowohl die Rolle von Marta als auch die von Maria übernommen. Vor dem Treffen und nach dem Treffen war es Marta, beim Treffen Maria. Beide Frauen widmen ihre Aufmerksamkeit dem Gast. Die eine umsorgt ihn, die andere schenkt ihm Zeit und hört zu. Möglicherweise ernten beide Dankbarkeit für ihr Tun. Und hinterher stellt man fest: Der einen bleibt die Hausarbeit, der anderen die Erinnerung an das Gesagte. Was wirkt länger nach? Was prägt für die Zukunft mehr: Der aufgeräumte Haushalt oder der gedankliche Austausch?
Gut, ich gebe zu, das hängt auch von den jeweiligen Gästen ab, aber nehmen wir einmal an, uns begegnete in einem besuchenden Menschen jemand von der Strahlkraft eines Jesus. Und nehmen wir außerdem an, dass wir erkennen, dass diesem Menschen nicht an einem Speisebuffet von Sternenqualität und an der Nutzung des hauseigenen Spa-Bereiches gelegen ist, sondern am menschlichen Austausch. Dann sind die Prämissen eigentlich klar. Ein paar rasche Schnittchen, ein Getränk, notfalls die Tüte Chips oder der Pizzalieferdienst, eine Decke auf dem Sofa – aber das reicht auch. Viel wichtiger ist doch, dass ich den Menschen wahrnehme. Ihm zuhöre, auf ihn eingehe, vielleicht seine Sichtweise mit meiner bereichere. Und im optimalen Fall haben beide dabei gewonnen.
Meine Mutter hat das nicht genutzte Geschirr vom Garten wieder in den Schrank gelegt und sich über den schönen Nachmittag gefreut. Die Gäste auch. Und sie wissen für die Zukunft vielleicht auch, dass man früher fragen sollte, ob man in den Garten blicken kann.
Ihnen und mir wünsche ich ein Gespür für das Bedürfnis des Gegenübers. Und einen beiderseitigen Gewinn.
Tim Wollenhaupt