4. Sonntag im Advent, 19.12.2021
Zum Evangelium nach Lukas 1, 39 – 45
39 In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. 40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. 41 Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. 43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. 45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Diejenigen, die zu den Erstkommunionfeiern und den darauf vorbereitenden Gottesdiensten in den Kirchen des Wattenscheider Südens anwesend sind, verfolgen ein Ritual. Die Einziehenden stehen um den Altar und vollziehen eine Kniebeuge. Soweit, so normal. Nicht ganz so normal, dass der jeweilige Zelebrant in besonderer Weise auf diese Kniebeuge hinweist mit den Worten: „Wir machen uns klein vor dem, der uns groß macht.“
In der Tat schrumpft man bei einer Kniebeuge rasch und spürbar. Die Welt sieht aus dieser Perspektive ganz anders aus. Der Fußboden ist viel näher, alles andere erheblich weiter weg. Je kleiner wir sind, desto unerreichbarer ist alles für uns. Da hilft es nicht, wenn man sich dafür für das, was am Boden zu finden ist, nicht so tief zu bücken braucht.
In gewisser Weise erinnert dieses Ritual aber auch, ohne dass man es besonders erwähnt, daran, dass sich auch Gott klein gemacht hat. Winzig und unscheinbar wächst er im Leib Marias heran. Unfähig zu eigener Machtausübung wird er in einer Krippe liegen. Er muss von anderen am Leben erhalten werden wie jedes andere Kind auch. Und dennoch entfaltet sich aus ihm der alles überstrahlende Gedanke einer immerwährenden Liebe.
Das heutige Evangelium berichtet von Elisabeth und ihrem ganz außergewöhnlichen Bauchgefühl bei der Begegnung mit Maria. Weder ihr eigenes Kind noch Jesus sind annähernd auf der Welt und doch stellt sich eine mehr als spürbare Vorahnung ein. Solche Bauchgefühle sind mir wohlbekannt. Diejenigen, bei denen man eine Gefahr verspürt ebenso wie diejenigen, bei denen sich die Fülle des Guten nicht annähernd erahnen lässt und trotzdem eine ganz bemerkenswerte Wärme im Bauch entsteht. Frisch- und dauerhaft Verliebte wissen, was ich meine. Vorfreude, die weit über den Tag hinausreicht.
Und zugleich macht sich Elisabeth selbst klein mit der Frage, „wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ Die Frage nach der eigenen Wertigkeit kann schon mal nagen. In anderen Situationen fragen wir uns manchmal, „was habe ich getan, dass mir so etwas geschieht?“ oder auch „habe ich das wirklich verdient?“, gefolgt von „das habe ich doch gar nicht verdient!“.
Stimmt. Dass Gott uns mit seiner Liebe beschenkt, haben wir uns nicht verdient. Im Gegenteil. Jedem von uns werden zahlreiche Gründe einfallen, die einen freundlichen Gott mindestens nachdenklich stimmen könnten. Und dennoch kommt uns dieser Gott entgegen. In diesem kleinen, verletzlichen, unscheinbaren Leben, welches wir leben, begegnet uns mitunter eine Liebe, die wir nicht fassen können. Aber eine, die uns belebt, weit über den Tag hinaus. Vielleicht sogar über unsere Tage hinaus.
Ihnen wünsche ich für heute und die kommende Woche das so warme Bauchgefühl einer Elisabeth.
Tim Wollenhaupt