- Sonntag im Jahreskreis, 11.09.201 – Zum Evangelium nach Lukas 15, 1 – 32
So sehr habe ich mich bemüht. Alles habe ich gegeben. Aber die da oder der da, die haben bekommen, was mir zusteht. Rechtmäßig. Verdient. Ich gehöre dahin.
Das Evangelium dieses Sonntages ist keine Gebrauchsanleitung für das Christsein. Da steht nicht, was man machen soll, damit Gott seine Liebe schenkt. Da steht eine Provokation. Nicht mit den fromm lebenden Menschen sitzt Jesus zu Tisch, sondern mit denen, die als der Abschaum der Gesellschaft gelten. Als Bodensatz. Jesus sitzt mit den Zöllnern und Sündern am Tisch.
Ja, mit wem denn sonst?
Wann gehen Sie zum Arzt? Täglich, wenn Sie kein einziges Zipperlein plagt? Oder eher dann, wenn Sie es mit Hausmitteln gar nicht mehr hinbekommen? Wann rufen Sie nach dem Heizungsmonteur? Wenn die Heizung nur mal eben entlüftet werden muss und deshalb melodisch gluckert? Oder dann, wenn sie keinen Mucks mehr von sich gibt und draußen die Eisblumen am Fenster blühen?
Vielleicht hätte Jesus diese Vergleiche gebracht, wenn er heute vor der Frage stünde. Und vielleicht sind diese Vergleiche heute ebenso unverständlich wie sie damals provozierend waren.
Jesus vergleicht Gott mit einem um die ganze Herde bemühten Hirten, als die sorgfältig suchende Frau und als den Vater, der nicht an der gerechten Verteilung des Vermögens, sondern an dem liebevollen Miteinander interessiert ist. Und bei allen drei Beispielen kommen mir eigene Erlebnisse in den Sinn. Bei Klassenausflügen, als die Lehrerin uns ermahnte, gegenseitig als Gruppe auf uns aufzupassen, während sie einen einzelnen Schüler suchte, der den Anschluss verlor. Beim Bäcker, als ich mir sicher war, dass ich die passenden Münzen eingesteckt hatte und nun vergeblich danach suche. Und natürlich auch daran, wie ich entgegen den Hinweisen meiner Eltern anders handelte und damit scheiterte.
In allen drei Erinnerungen komme ich, worüber ich sehr glücklich bin, zu einem positiven Schluss. Die Lehrerin fand (sogar überraschend schnell) den ausgerissenen Teenager, die verloren geglaubte Münze fand sich im Futter einer Jacke, deren Tasche sich aufgelöst hatte und meine Eltern schlossen mich trotz des Bockes, den ich geschossen hatte, in ihre Arme, vermutlich froh, dass nicht noch mehr passiert ist.
Halten wir dieses Bild noch einmal fest: Die Eltern umarmen ihr Kind, obwohl es nicht getan hat, wie es ihm aufgetragen war. Das ist Gott. Genau so. Seine Liebe können wir uns nicht verdienen. Aber wir können erkennen, dass wir nicht getan haben, was wir eigentlich hätten tun sollen. Dieses Tun können wir ändern. Gott schenkt uns Liebe. Wir haben keinen Anspruch darauf, aber wir haben Anteil daran. Wir können die Liebe nicht einfordern, aber wir können entscheiden, ob wir selbst anderen in Liebe begegnen oder nicht. Und dort, wo wir dieses „nicht“ erkennen, können wir aufmerksam werden, zur Liebe zurück finden.
Ihnen wünsche ich, dass man Ihnen heute und an jedem Tag in Liebe begegnet. Egal, ob Sie an einen Anspruch darauf glauben oder sich einfach und vielleicht grundlos damit beschenken lassen. Ihnen begegnet ein Teil Gottes.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.