29. Sonntag im Jahreskreis, 13.10.2024
Zum Evangelium nach Markus 10, 17 – 30
17 Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? 18 Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. 19 Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! 20 Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. 21 Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! 22 Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. 23 Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! 24 Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! 25 Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. 26 Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? 27 Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich. 28 Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. 29 Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, 30 wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.
Eine radikale Forderung stellt Jesus da auf. Vor allem für jemanden, der offenbar alles dafür getan hat, wirtschaftlich solide abgesichert zu sein. Und das alles soll man aufgeben? Ist elende Armut und Unsicherheit nicht die absehbare Folge – das komplette Gegenteil des bisherigen und erfolgreich gemeisterten Lebens?
Ja, radikal ist es. Wenngleich ich es nicht unbedingt so wortwörtlich verstehen möchte wie der Text es nahelegt.
Einerseits sichert Jesus das Überleben auf Erden zu und verspricht das ewige Leben. Das impliziert notwendigerweise eine halbwegs auskömmliche wirtschaftliche Existenz zu Lebzeiten auf Erden. Andererseits soll das Vermögen des reichen Mannes ja nicht einfach verschwinden, sondern den Bedürftigen helfen. Im optimalen Fall sind das diejenigen, die sich selbst nicht helfen können. Fernliegend ist der Gedanke keinesfalls, denn genau das haben wir in soziale Gesetze gegossen und wir verlassen uns auf die gesellschaftliche Sicherheit, dass nicht ins Bodenlose fällt, wer sich selbst nicht mehr unterhalten und helfen kann.
Es kann aber eine große Herausforderung darstellen, Liebgewonnenes und Wertvolles loszulassen. Sich selbst zu beschränken. Einen möglichen Kauf eben nicht zu tätigen, sondern das Geld zu spenden, damit es viel mehr Menschen glücklich machen kann als nur mich selbst. Dass es allzu lustig wird, verspricht Jesus nicht.
Was aber ist nun dieser seltsame „Schatz im Himmel“, das „Hundertfache“, was man empfangen kann? Erklären kann ich es nur in Ausschnitten. Aber dann, wenn man etwas tut, von dem man annimmt, dass es nicht der eigene, aber dafür Gottes Wille war, erntet man in manchen Fällen für ein übersichtliches wirtschaftliches Engagement urmenschliche Freude. Ein kleines Beispiel: Da hinterlässt jemand ein Vermögen, aber keine Erben. Als Erben setzt er eine ihm vertraute Hilfsorganisation ein. Aus dem Vermögen wird Hilfe. Römisch-katholisch nennt man das Caritas: Hilfe und Zuwendung um Gottes Willen. Und das soll das Leitbild für die gleichnamige Organisation sein. Wende Dich dem Nächsten zu, weil Gott das so will. Ergebnis: Dort, wo wir im Kleinen Jesus nachfolgen, ziehen wir eine Spur von Leben und Glück hinter uns her.
Wäre es so schlimm, wenn diese Spur breiter und länger wäre? Wenn eine Gesellschaft erstarkte, die nicht von Egoismus geprägt wäre, sondern von liebevoller Gemeinsamkeit? Es ist vielleicht für manche einfacher, Gewinn zu produzieren als Gemeinsinn. Jesus weist darauf hin, dass es dennoch überaus lohnenswert sein kann.
Ihnen und mir wünsche ich, dass wir das Kunststück schaffen, wenigstens ein Stückchen durch das Nadelöhr zu kommen.
Tim Wollenhaupt