- Sonntag im Jahreskreis, 28.06.2015 – Zum Evangelium nach Markus 5, 21-43
Das heutige Sonntagsevangelium ist außergewöhnlich. Im Text werden gleich zwei Wunder beschrieben. Buchstäblich im Vorübergehen wird eine Frau geheilt und etwas später ein Kind vom Tod erweckt.
Sehen wir uns zunächst die kranke Frau an. Dem Bericht zufolge haben Ärzte alles versucht, um ihre Blutungen zu stillen, nichts fruchtete. Nun drängt sie an Jesus heran, um wenigstens sein Gewand zu berühren. Eine Berührung, die ihr als letzte Rettung erscheint. Es geschieht. Verstehen kann ich diese Erzählung nicht wörtlich. Aber als Bild: Ein Mensch kann anstellen, was er will, über kurz oder lang wird sein Leben ausbluten. Anders ausgedrückt: Lebe ich allein und nur auf mich fixiert, wird mein Leben leer. Das Streben nach der Gemeinschaft mit anderen im gemeinsamen Glauben jedoch belebt. Die Frau, die Jesus im Vorübergehen heilt, wirkt auf mich wie die Kirchengemeinde, die dann, wenn sie im Glauben Gemeinschaft ist, lebendig bleibt.
Im zweiten Wunder erweckt Jesus ein totes Kind. Zwar beschwichtigt er die umstehenden Menschen. Er gibt vor, das Kind schliefe. Doch die Menschen haben den Tod bereits erkannt. Jesus überwindet den Tod und das Volk gerät „außer sich vor Entsetzen.“
Bemerkenswert finde ich an dieser Erzählung, dass Jesus sich eigentlich wenig mit dem Volk beschäftigt. Er wendet sich der Frau persönlich zu und sagt ihr: „Geh in Frieden!“ Zu dem toten Mädchen sagt er: „Steh auf!“ Er sagt es zu dem Mädchen, als er mit ihm allein ist.
Steh auf. Egal, was passiert, ich lasse Dich nicht im Stich. Geh in dieser Sicherheit in Frieden!
Ich lese diesen Text, als niemand anders in der Nähe ist. Und ich frage mich, wo ich selbst in dieser Geschichte auftauche. Bin ich die Frau? Bin ich der besorgte Vater des Mädchens? Bin ich mit dem Volk außer mir? Bin ich das Kind? Je mehr ich mich das frage, um so mehr möchte ich das Mädchen und die Frau sein. Persönlich angesprochen von größtmöglichem Trost. Ich darf darauf vertrauen, dass der Tod nicht das Ende ist. Ich kann mich mit anderen darüber freuen und ins Leben gehen.
Ihnen wünsche ich, dass Sie sich ebenfalls mit dem Mädchen und der Frau identifizieren können. Und über diesen Tag hinaus dem Leben begegnen.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.