Zum Evangelium nach Lukas 10, 25 – 37 am Sonntag, dem 10.07.2016
Und wieder einmal will ein „Toragelehrter“, ein „Gottesbesitzer“ Jesus prüfen mit der spitzfindigen Frage, was er denn tun müsse, um am ewigen Leben teilhaben zu können. Jesus verweist ihn auf sein eigenes „Handwerkzeug“, auf die Tora selbst und fragt, was denn dort geschrieben stünde. Der Schriftgelehrte antwortet:
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt und deinen Nächsten wie dich selbst«
Aber damit nicht genug, jetzt wird die Frage gestellt, wer denn der „Nächste“ sei.
Jesus antwortet mit dem uns so bekannten Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Wir sollen unseren „Nächsten“ lieben wie uns selbst. Klarer wäre es für mich, wenn dort stünde, dass wir unseren „Nächsten“ lieben sollen sowie uns selbst.
Denn diese Textstelle unterstellt meines Erachtens nämlich nicht, dass der Mensch von Natur aus zum Egoismus neigt und er daher den „Nächsten“ lieben möge, wie er es ja soundso bereits mit sich selbst tut. Nein, ich glaube, dass diese Textstelle bedeutet, dass man einen anderen Menschen erst dann lieben kann, wenn man auch sich selbst liebt, annimmt mit allen Fehlern, die man hat. Die aufopferungsvolle, das eigene Selbst negierende Liebe, die vielleicht auch in diesen Text hinein interpretiert werden könnte, ist häufig nicht Liebe des Nächsten!
Wenn wir uns im folgendem dem Text des Gleichnisses selbst zu wenden fällt auf, dass Jesus die beiden Menschen, die -sozusagen qua Amtes- hätten dem Überfallenen helfen müssen, den Priester und den Levit (Diakon) nämlich, fehl handeln lässt. Sie helfen nicht und gehen ungerührt ihrer Wege! Wie anders der Mann aus Samaria, vermutlich ein Heide. Er übt tätige Nächstenliebe, kümmert sich, bezahlt für die Genesung des Überfallenden.
Er ist einfach ein Mensch, der einem anderen Menschen hilft, und dies aus einem einzigen Grund: weil dieser eben Hilfe braucht!
Er versteckt sich nicht hinter der Untätigkeit der beiden anderen und entschuldigt noch die mögliche persönliche Unterlassung damit, dass diese ja an erster Stelle hätten handeln müssen, weil es ja nun mal „ihr Job gewesen wäre“. Er sieht nicht herab auf den Überfallenden. Er fragt nicht nach Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Rasse.
Er hilft einfach!
Ich wünsche mir, dass ich dieses Bild für tätige Nächstenliebe verinnerlichen kann. Ich wünsche mir auch, dass ich meine so häufig bestehenden Vorurteile und Bewertungen meiner „Nächsten“ hinten anstellen lerne und einfach nur den Menschen sehen kann, der meiner Hilfe und meiner Liebe bedürftig ist.
Barbara Schulze
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.