- Sonntag der Bereitungszeit, 8.3.2015 – Joh 4, 5-42
Mit diesem Text verbinde ich eine sehr persönliche Erinnerung an meine Ausbildung.
Wir hatten uns als Studierende in eine kleine Hütte in den grünen Weinhügeln bei Asbach am Rhein zurückgezogen;
mitten in die Natur, in die völlige Ruhe.
Zusammen mit einem naturverbundenen Jesuiten, der die Veranstaltung leitete,
und Professor Lange, der das Blockseminar organisiert hatte, wagten wir uns in ein Abenteuer,
dessen Wirkung eines der wenigen wirklich glaubensprägenden Ereignisse meines Studiums war.
In einem Bibliodrama drangen wir individuell so intensiv in diese Geschichte um den Jakobsbrunnen ein,
dass einige von uns schwer ergriffen waren.
Es war das zeitweilige Gefühl tiefster Erkenntnis; eine Gotteserfahrung!
Johannes der Evangelist und dieser Jesuit verstanden ganz offensichtlich ihr Fach!
Was ist die Kernerkenntnis dieses Evangeliums, dieses langen Textes in seiner Gänze?
Die Samariterin fasst es quasi selbst für uns als Glaubensbekenntnis zusammen.
Jesus ist ein Jude!
Er ist mehr als dieser Jakob, er hat andere Vollmacht!
Jesus ist ein Prophet! Er spricht mit Gottes Vollmacht!
Mehr noch,
Jesus ist der Messias, der Christus, der Gesalbte, der Retter der Welt!
Jesus ist die Quelle des ewigen Lebens!
Für diese Erkenntnis braucht man keine Schriftgelehrten und muss kein Schriftgelehrter sein.
Für diese Erkenntnis brauchen wir nur die Erfahrung, IHM selbst zu begegnen, wie die Samariterin es durfte.
Wie wir IHM begegnen können?
Nun, auch das macht Christus uns vor:
Er geht auf die Fremde und vermeintliche Feindin und Ungläubige zu.
Er bittet Sie völlig unvoreingenommen und gegen alle Konventionen doch nur um eine Selbstverständlichkeit.
Er bittet um etwas Wasser.
Der verunsicherten Frau begegnet er ohne Vorurteile und ohne moralisch erhobenen Zeigefinger.
Nimmt diese Frau so an, wie sie ist.
Er nimmt sie ernst.
Völlig einfühlsam. Weil sie wahrhaftig ist.
Mehr verlangt er nicht. So könnten auch wir andere annehmen.
So einfach und doch so schwer.
In einem Bibliodrama versetzt man sich unter Anleitung in bestimmte Rollen eines biblischen Textes hinein
und versinkt dadurch tief in diesem Text.
Wenn es uns gelänge, uns als diese Samariterin zu fühlen,
ehrlich zu uns selbst, mit all unseren Widersprüchen, Fehlern und Ängsten,
mit unserem gesamten Sein,
dann könnten wir IHN spüren.
Wie er uns einfühlsam annimmt, ohne Vorurteile, ohne den moralischen Zeigefinger,
und uns ernst nimmt.
Dann erkennen wir IHN als die Quelle des ewigen Lebens. Als den Retter unserer kleinen Welt.
Thomas Schlott
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.