Zum Evangelium Joh 17, 6a.11b-19 am 7. Sonntag der Osterzeit, 12.5.2024
In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete:
6aVater, ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.
11bHeiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.
12Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt.
13Aber jetzt gehe ich zu dir. Doch dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben.
14Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.
15Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst.
16Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.
17Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.
18Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt.
19Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.
„Die sind nicht von dieser Welt!“ Eine solche Bemerkung in heutiger Zeit geäußert, hat oft eher einen abfälligen Beigeschmack. Wer in die Schublade „welt-fremd“ einsortiert wird, dem oder der unterstellt man Unfähigkeit, sich in die aktuelle Lebenswirklichkeit einzufinden.
Sollen wir Christen „nicht von der Welt“ sein, weil auch Jesus Christus es nach eigenem Bekunden nicht war/ist (vgl. Vers 14)? Sollen wir uns abgrenzen im Sinne einer Ablehnung der Lebenswirklichkeit um uns herum?
Ich denke, das wäre ein krasses Missverständnis des heutigen Evangeliumsabschnittes. Jesus selbst sagt, „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst“ (V 15a).
Es geht darum, WIE wir in dieser Welt leben und sie durch unser Denken und Handeln prägen. Und die richtungsweisenden Worte, die Jesus in diesem Zusammenhang wählt, sind „meine Freude in Fülle“ (V 13b) und Wahrheit orientiert und genährt aus Gottes Wort ( vgl. V 17ff).
Das bedeutet für mich, kein Sklave des Zeitgeistes zu sein, sich von Niemandem instrumentalisieren zu lassen, aber rege teilzuhaben an dem, was geschieht und die Welt bewegt.
Hier bin ich froh um die Orientierung an Gottes Wort, denn ich empfinde eine zunehmende Polarisierung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs, die dazu führt, dass Dinge/Themen sich verselbständigen, ja regelrecht zum Selbstzweck werden, wo es doch so wichtig ist, pragmatische Wege im Umgang mit den vielfältigen Problemen zu suchen. Es wird immer schwieriger den Wahrheitsgehalt einer Nachricht einzuschätzen. In vielen Bereichen polarisiert sich die Gesellschaft zwischen übelster Polemik auf der einen Seite und einem zweifelhaften Moralismus auf der anderen Seite. Auf Basis einer solchen Grundstimmung ist ein konstruktiver Diskurs kaum (noch) möglich.
Wenn ich diese sich verselbständigten Mechanismen, diese Zweidimensionalität, beobachte, denke ich tatsächlich: Ich bin nicht (mehr) von dieser Welt! Da möchte ich mich am liebsten ganz zurückziehen.
Aber gerade das will Jesus nicht. Er hat uns in die Welt gesandt, angefüllt mit seiner Freude in Fülle und orientiert an Gottes wahrem Wort. Und das Zentrum seiner Botschaft ist seine liebende, ungeteilte Zuwendung zu den Menschen. Was der im Ersten Bund geoffenbarte Name Gottes schon aussagt, JAHWE – ICH BIN (FÜR EUCH) DA, lebte Jesus uns Menschen vor und fasste alle Gebote im Doppel(lebensan-)gebot der Liebe zusammen: Liebe Gott, und deinen Nächsten wie dich selbst.
Wenn also die „Welt“ verrückt spielt, sind wir nicht orientierungslos oder Spielball unterschiedlicher Interessen. Wir können helfen, dass die Dinge sich nicht verselbständigen, sondern wieder geschaut wird, worauf es ankommt im Großen und im Kleinen: Liebevolle Zugewandtheit und gegenseitige Wertschätzung als Grundlage allen Denkens, Redens und Handelns.
In diesem Sinne eine hoffnungsvolle Woche wünscht
Maria Schmale