1. Weihnachtsfeiertag, 25.12.2022
Zum Evangelium nach Lukas 2, 15 – 20
15 Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat! 16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. 17 Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. 18 Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. 19 Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. 20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war.
Manch ein Mensch verbindet Weihnachten mit dem schönen Brauch, etwas geschenkt zu bekommen. Und nicht wenige Menschen sind es von Kindesbeinen an gewöhnt, einen Wunschzettel zu verfassen. Der erste Weihnachtsfeiertag ist im Regelfall ein Tag, an dem man schon absehen kann, ob und was von den verfassten Wünschen in Erfüllung gegangen ist.
Die Hirten haben keinen Wunschzettel verfasst. In der Tat wäre es auch sehr bemerkenswert gewesen, wenn einer aufgeschrieben hätte: „Ich wünsche mir, dass mir ein Engel erscheint, der mir vom Heiland erzählt, und ich darf diesen auch tatsächlich besuchen.“
So geht es vielleicht auch dem einen oder anderen Menschen an diesem Weihnachtsfest: Nicht das ist in Erfüllung gegangen, was man sich wünschte, sondern viel mehr, vielleicht sogar etwas, was man sich noch nicht einmal erträumt hatte. Die Hirten waren zuerst verängstigt, bis ihnen der Engel ein „Fürchtet euch nicht“ zugesagt hat. Dann hörten sie Unglaubliches und dann –
Dann ließen sie zunächst einmal ihre Schafe allein. Für einen kurzen Zeitraum werden die Schafe das schadlos überstanden haben. Die Hirten allerdings bemerken etwas an sich selbst. Denn im Israel damaliger Tage standen die Hirten gesellschaftlich auf niedriger Stufe. Gerade diese Menschen sind die ersten an der Krippe. Später wird Jesus sagen, dass er zu suchen gekommen ist, wo sich etwas retten lässt. Hier kommen erst einmal die Hirten und sehen, dass alles tatsächlich so ist, wie es ihnen versprochen wurde. Zunächst war die Nachricht unglaublich, nun war unglaublich, dass ausgerechnet ihnen der erste Blick auf den Heiland geschenkt wurde.
Noch jemand findet etwas: Maria. Die biblischen Texte sprechen auch bei ihr von einer Verheißung. In den Hirten an der Krippe erkennt sie eine erste Form jener Außergewöhnlichkeit, die sich im weiteren Leben ihres Gottessohnes noch vertiefen wird. So erzählt dieser Evangeliumstext nicht von den Geschenken, nicht von der Erfüllung selbsterdachter Wünsche, sondern von dem Geschenk des Überirdischen, was fassungslos und dennoch glücklich machen kann und soll.
Dieses Gefühl nenne ich weihnachtlich. Die Ahnung von dem Geschenk eines Lebens, welches über den Tod hinaus bleibt. Unfassbar und über das Denken hinausgehend. Aber eben da, vor unseren Augen.
Frohe und gesegnete Weihnachten.
Tim Wollenhaupt