Zum Evangelium Lukas 18, 1-8 am 29. Sonntag des Jahreskreises – 16.10.2022
1 Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: 2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. 3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; 5 weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. 6 Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?
Die Nachrichten, die von verschiedensten Kanälen auf uns einprasseln, sind mehr als beunruhigend. Die Entwicklung vermittelt das Gefühl, sich macht- und hilflos inmitten eines düsteren Dystopie-Thrillers zu befinden. Leider können wir das TV Gerät oder Radio nicht einfach abschalten oder das Handy beiseite legen, und alles ist wieder „normal“. In vielfacher Hinsicht ist die Menschheit dabei, ihren Lebensraum zu zerstören, sei es durch den irrsinnigen Krieg, Zerstörung der Umwelt, Rücksichtslosigkeit, Gleichgültigkeit, Eigennutz oder auch schlichtweg Dummheit.
Da hilft nur noch Beten … dieser Satz wird gern in Situationen ausgesprochen, in denen wir uns hilflos und ausgeliefert fühlen.
Nun, die russisch-orthodoxen Christen beten auch zu Gott und ihr Patriach lobt Wladimir Putin als Gottgesandten. Wer der „Widersacher“ ist, ist da schnell eine Sache der Perspektive und Interessen. Das lässt mich darüber nachdenken, welcher Art unsere Gebete sind. Das „Gott mit uns“ hat zu oft in der Geschichte dafür herhalten müssen, Gräueltaten zu rechtfertigen….
Wie also beten, und um was, damit es eben nicht nur um eigene Interessen und die eigene Perspektive geht? Jesus selbst hat uns mit dem VATER UNSER eine klare Richtlinie gegeben. Der Lobpreis und die Bitten weisen auf SEIN Reich, auf ein LEBEN IN FÜLLE, nicht als Vertröstung aufs Jenseits, sondern beginnend im Hier und Jetzt.
Eine weitere Frage ist die, die Jesus selbst stellt: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ Die Kirche befindet sich in einer Legitimationskrise. Das geht auch an den Gläubigen und Aktiven nicht spurlos vorbei.
Und wie steht es mit meinem persönlichen Gottvertrauen? Wie oft habe ich schon SEINE Nähe gespürt, wurde getragen durch schwere Zeiten. Und doch zweifle ich an der Wirkung der Gebete um den Frieden und um Eintracht der Menschen? Bin ich so desillusioniert angesichts der Macht der Bilder und Nachrichten, die immer nur konzentriert sind auf all das Schreckliche, das Menschen sich gegenseitig antun? Muss ich mich nicht viel mehr konzentrieren auf die leisen, unaufgeregten „Zwischentöne“, auf die vielfältigen Zeichen der Liebe, die Menschen einander schenken, auf den Mut derer, die allem Widerständen zum Trotz um das Gute ringen?
„Alles ist möglich, wenn du mir vertraust“ sagt Jesus zu dem Vater eines kranken Sohnes (Mk 9,23). Der Antwort des Vaters schließe ich mich aus tiefstem Herzen an „Ich glaube; hilf meinem Unglauben“ (Mk 9, 24)
Maria Schmale