Zum Evangelium Lk 24, 1-12 in der Osternacht – 17.4.2022
1 Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. 2 Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; 3 sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht. 4 Und es geschah, während sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen. 5 Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? 6 Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: 7 Der Menschensohn muss in die Hände sündiger Menschen ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen. 8 Da erinnerten sie sich an seine Worte. 9 Und sie kehrten vom Grab zurück und berichteten das alles den Elf und allen Übrigen. 10 Es waren Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die übrigen Frauen mit ihnen. Sie erzählten es den Aposteln. 11 Doch die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht. 12 Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden. Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Eine Aufforderung, die mir einfach nicht aus dem Kopf geht: Sucht den Lebenden nicht bei den Toten! – Eine Aussage, die zunächst paradox erscheint.
Wir sind sehr geneigt, immer an festen Denkmustern festzuhalten. Als Wirklichkeit gilt in unserer Gesellschaft in der Regel nur das, was sich mit den gängigen naturwissenschaftlichen Methoden messen oder nachweisen lässt. Erst langsam bricht sich die Einsicht Bahn, dass das, was wir als objektiv und nachweisbar erachten, letztendlich auch nur ein Produkt unseres bestehenden Weltbildes ist. Grundlegend neue Einsichten und Erkenntnisse sind erst möglich, wenn man bereit ist, die bestehenden Denkmuster zu verlassen. Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie oder die Pioniere der Quantenphysik wie Werner Heisenberg waren Vorreiter dieser Einsicht. Die Kreativität ihres Denkens ermöglichte erst, Strukturen der Wirklichkeit sichtbar werden zu lassen, die vorher im Verborgenen lagen.
Ihr Erlebnis am Grab öffnet die Frauen für ein neues, revolutionäres Denken: Der, der vor ihren Augen gestorben ist, lebt! Und dieser Gedanke wird für sie zur neuen Realität. So sehr sind sie davon ergriffen, dass sie sofort zurückkehren in ihre Gemeinschaft, um auch die anderen an dieser wunderbaren Erkenntnis teilhaben zu lassen.
Aber – wie war es auch anders zu erwarten – die Männer halten das, was die Frauen da erzählen, für „Geschwätz und glaub(t)en ihnen nicht“ (V. 11). Die engen Grenzen ihres Weltbildes verbieten ihnen ein solches Denken! So ganz viel anders ist die Reaktion der vermeintlich sachlichen und vernunftgeprägten oder aber auch der traditionsverhafteten Menschen in heutiger Zeit auch nicht. Sehr schnell werden Menschen, die die Möglichkeit einer wesentlich vielschichtigeren Wirklichkeit wahrnehmen, spöttisch als Spinner abgetan.
Allerdings wird von Petrus berichtet, dass ihm das Ganze offensichtlich doch keine Ruhe lässt. Er macht sich auf den Weg zum Grab. Mehr als die Binden und Tücher, in die der Leichnam Jesu eingewickelt war, sieht er nicht. Die Szene „spricht“ zunächst nicht für ihn, wie sie es für die offeneren Frauen getan hat, aber immerhin macht er sich auf den Rückweg „voll Verwunderung über das, was geschehen war“ (V. 12b). Das ist doch schon einmal etwas. Ein Mensch, der sich wundert/ der staunt, hat die Chance, sich zu öffnen! Auch für eine Institution, die sich aus Angst vor Veränderung schwertut, neue Wege zu gehen, kann ein offenes Staunen zum Wegbereiter werden!
Wundern wir uns! Staunen wir angesichts dessen, was wir hören und erleben, wenn wir miteinander Ostern feiern – vielleicht ereignet sich in uns eine Auf-Erstehung, die unsere Wirklichkeit nachhaltig verändert!
In diesem Sinne frohe und gesegnete Ostern wünscht Ihnen/euch allen
Maria Schmale