Zur neutestamentlichen Lesung vom Palmsonntag: Phil 2,6-11 (28. März 2021)
In seinem Brief an seine Lieblingsgemeinde in Philippi überliefert der hl. Paulus ein altes Christus-Lied: die neutestamentliche Lesung am Palmsonntag:
„Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht:
Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen;
er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen,
damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu
und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.“
(Phil 2,5-11)
In diesen wenigen Sätzen begegnet uns so etwas wie eine Kurzformel des Glaubens! Darin „wird eine Lebenslogik, eine Lebensweisheit greifbar, die an Jesus abgelesen werden kann, die aber eben nicht exklusiv auf ihn beschränkt ist“ (Matthias Sellmann in: Was fehlt, wenn die Christen fehlen?, Echter Verlag Würzburg 2020, S. 59). Diese Lebensweisheit ist eine „gute Nachricht“ für jeden Menschen, weil sie eine Kraftquelle aufzeigt, „die sich jede und jeder erschließen und die jede und jeder anzapfen kann“ (a.a.O.).
In seiner Menschwerdung riskiert Jesus alles und dieses Risiko – so zeigt es das Leben Jesu – offenbart eine Überraschung: „dass nämlich die Nicht-Flucht aus den Aufgaben der (menschlichen) Existenz und die Investition in das Glück auch anderer (Erniedrigung bis zum Tod am Kreuz) eben kein Scheitern, sondern Erfolg und Fülle zur Folge hat. (…) Gegen den ersten Anschein ruft der Text gerade nicht linear dazu auf, wie Jesus zu sein und ihn zu imitieren. Vielmehr wird gezeigt, dass Jesus einen Raum von Wirklichkeit erschlossen hat, in dem neue Lebensmöglichkeiten sichtbar werden.“ (a.a.O. S. 59f)
Darum geht es auch heute am Palmsonntag 2021: Dass sich mir und jeder/jedem von uns neue Lebensmöglichkeiten erschließen, indem wir in dieser Heiligen Woche das Leben Jesu meditieren und darin für uns die christliche Lebenslogik neu entdecken: Indem ich meiner Lebenswirklichkeit nicht ausweiche, sondern mich ihr stelle – auch und gerade wenn sie an die Schmerzgrenze geht und mein Einsatz für andere das Risiko des Scheiterns beinhaltet –, wird der Blick auf Jesu Tod und Auferstehung zu einer Kraftquelle, zur Hoffnung, die trägt.
Es geht um deine und meine Lebenswirklichkeit als Mensch hier und jetzt: in einer Ehe oder Partnerschaft, in einer Familie mit Kindern oder als Allein-Lebender, in einem Fleischverarbeitungsbetrieb, in einem Seniorenheim oder auf einer Intensivstation, in einem Haupt- oder Ehrenamt, mit meinen Begabungen, meinem Engagement oder meiner Passion, in meinem Dasein für und mit anderen, in Krankheit und Leid, in Zeiten dieser Pandemie … Und da erleben viele, dass sie am Ende sind, enttäuscht oder gar verzweifelt und nicht mehr weiter wissen …
Indem ich mich dieser Wirklichkeit stelle und meine Augen nicht zumache, sondern aufschaue und meinen Blick auf Jesu Leben, Tod und Auferstehung richte, kann ich darin eine Hoffnung und Kraftquelle entdecken, die mich weitergehen lässt. Denn der Blick auf Jesus zeigt: im Vertrauen auf den Gott und Vater Jesu, der will, dass ich bin, erschließen sich mir neue Lebensmöglichkeiten. So kann ich mich mit der Kraft der Hoffnung verbinden, die in der Tiefe meines Herzens wirksam ist und darauf vertraut, dass Gottes Liebe das letzte Wort hat; sie ist stärker als der Tod.
Burkhard Schönwälder