18. Sonntag im Jahreskreis, 04.08.2019
Zum Evangelium nach Lukas 12, 11 – 21
Goldener Handschlag. Tantiemen. Rendite. Dividende. Aktienmehrheit. Platz 1 der Forbes-Liste. Das sind die ersten Worte, die mir zum heutigen Evangelium einfallen. Der erste komplette Satz, der mir einfällt, ist ein Satz, der mir verdeutlicht wurde, bevor ich wusste, was Taschengeld ist: „Das letzte Hemd hat keine Taschen.“ Heute weiß ich, dass diejenigen, die den Satz verstanden haben, reicher sind, als diejenigen, welche die zuvor genannten Begriffe erklären können und immer noch der Meinung sind, dass damit erstrebenswerte Ideale dargestellt werden.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieser Text ist kein hohes Lob der Armut, keine Kapitalismuskritik und kein Missachten der im Kontostand abgebildeten Lebensleistung. Im Gegenteil, unsere Gesellschaft fußt auf dem Gedanken von Wachstum, von Mehrwert, von Überfluss. Ohne Überfluss wäre keine Steuer denkbar, ohne Steuern kein Straßenbau, keine Sozialleistung, keine Feuerwehr und keine Polizei. Solch ein Leben will ich mir gar nicht vorstellen. Und wenn es Menschen gibt, die ganz wenig oder gar nichts haben, muss es auch denkbar sein, dass es Menschen gibt, die weit mehr haben als sie jemals ausgeben können. Ihnen allen wendet sich Gott gleichermaßen zu, ohne Ansehen der Person, des Verdienstes oder des Kontostandes. Und das ist die entscheidende Botschaft für mich aus dem heutigen Evangelium: Mein Wohlstand oder meine Armut ist für die Gnade unerheblich.
Wenn ich mir den reichen Bauern im Evangelium ansehe, dann liegt viel Gewicht auf dem zukünftigen Vorhaben: Neue Scheunen, ein sicheres Leben in Saus und Braus. Doch das überreichliche Geschenk liegt schon längst vor dem Bauern, denn die Ernte ist schon längst auf dem Feld gewachsen.
Angesichts der erlebten dürren Jahre und der heißen Tage in den letzten Wochen fehlt es leider an natürlichen Beispielen einer heutigen Ernte. Aber der Bauer ist ja nur ein Beispiel. Gemeint ist jeder. Ob auf dem eigenen Feld nun Autos stehen, weil der Bauer Mechaniker ist, ob es ein fertiger Roman ist für eine Schriftstellerin oder ob es ein zufriedener Mensch ist, der sich über die medizinische Versorgung freut: Das, was wir in unserem Leben als Erfolg verbuchen können, sei uns gegönnt, doch es entscheidet nicht über Gottes Zuwendung. Vor Gott stehe ich genau wie jeder andere Mensch mittellos da.
Was folgt aus dieser Überlegung? Nicht das grundlose Verschenken jeden Reichtums, sondern eine kluge Abwägung: Wie kann ich nach der Sicherung der eigenen Existenz daran helfen, andere Existenzen zu sichern? Gott wünscht sich keine weltlich Armen, denn das Gebot, den Nächsten zu lieben wird dadurch charakterisiert, dass der Nächste zu lieben ist wie sich selbst. Nicht der hilflose Helfer ist erforderlich, sondern ein befähigter Mensch, der andere befähigt. Manche haben wirtschaftlich ausgesorgt. Was spricht dagegen, wenn Sie ihr Wissen weitergeben? Wenn Sie das, was Sie nicht mehr benötigen, in eine gemeinnützige Stiftung einbringen? Nicht als Steuersparmodell, sondern als Ausdruck der Förderung. Es ist gut, wenn ein Mensch eine schöne Stimme hat. Doch wenn dieser Mensch einem anderen das Singen beibringt, kann daraus ein mehrstimmiger Chor werden. In einer so musikalisch vielfältigen Gemeinde wie St. Maria Magdalena weiß man schnell, wie prachtvoll solch eine Gemeinschaft klingen kann. Den Gesang, den wir viele Male im Jahr geschenkt bekommen, können Sie sich nicht kaufen. Er ist unbezahlbar. So, wie die Liebe Gottes. Wir sind arm und bleiben bedürftig. Was uns bleibt, ist der Dank für Gottes Liebe. Und das Weitergeben dieser Liebe an diejenigen, die uns brauchen, um Gottes Zusage hören zu können.
Gott beschenkt uns. Er macht uns lebendig. Er füllt das Leben mit Liebe. Gott sei Dank.
Tim Wollenhaupt