16. Sonntag im Jahreskreis, 21.07.2019
Zum Evangelium nach Lukas 10, 38 – 42
Dieser Impulstext ist ein wenig merkwürdig entstanden. Denn normalerweise schreibe ich sie immer vor dem anstehenden Sonntag. Heute nicht – und das hat mehrere Gründe.
Gestern war ich Gast bei der Feier zu einem 65. Hochzeitstag. Es war brütend warm, innen wie außen schwül, dabei habe ich die Kamera mehrfach umgebaut und eine Familie zum Strahlen zu bringen versucht. Hat geklappt. Die Bilder werden so sein, dass die Betrachter ein stolzes Ehepaar in einem ausgeprägt vitalen Familienverbund erkennen werden. Mein Arbeitsauftrag war gering, die Familie jedoch, die das Ehepaar und die Verwandtschaft bewirtet hat, hat bestens für die Gäste gesorgt. Zwischendurch musste mal ein Tisch abgeräumt werden, eine Bank wurde durch den Garten getragen, in aller Eile wurde gespült und der Tisch wieder hergerichtet und dazwischen „bitte recht freundlich“. Da waren eine ganze Menge „Marta“s am Werk.
Und heute höre ich von einer Maria, die eigentlich diesen Impuls vorhatte, dass sie in einer Wohnung renovieren musste, dann rasch in eine andere Wohnung, da feierte eine Mutter ihren Namenstag und heute, am Sonntag, kommen wieder andere Gäste. Eine Maria, die sich gerne für Gottes Wort in der Kirche Zeit genommen hat, um dann wieder zu einer Marta zu werden.
Dann denke ich an das Ehepaar gestern zurück und an die vielen bewirteten Gäste in den unterschiedlichen Wohnungen. Das Ehepaar legte die Hände übereinander, hakte sich gegenseitig unter und verstand es, mit den alt gewordenen Augen sich und ihre Umgebung anzulächeln. Über den Beschwernissen des Lebens schwebte dieses entspannte Lächeln.
Wir alle sind irgendwann einmal wie Marta. Wir wienern die Wohnung, wir überlegen uns, womit wir Gäste bewirten können, wir nehmen uns Zeit und freuen uns, wenn die Gäste dann endlich gekommen sind und alles so klappt, wie wir uns das ausgemalt haben. Und wir alle haben schon einmal die Erfahrung gemacht, dass man den ganzen Tag gewirbelt hat, erst beim Herrichten, später beim Aufräumen und währenddessen beim Bewirten. Von den Gästen gesehen hat man kaum etwas. Wenn man Glück hatte, konnte man in der Küche hören, dass die Stimmung im Wohnzimmer gut war. Und wenn man ganz großes Glück hat, erzählt einem irgendjemand, was die Stimmung so gut werden ließ. Allerdings kann das dann auch bedeuten, dass die Stimmung gerade nicht deshalb so gut war, weil man alles so hübsch hergerichtet, zubereitet, auf- und abgeräumt hat, sondern ein Gast erzählte eine Anekdote und alle anderen sprangen auf diesen Zug auf. Man selbst hat dann das Gefühl, zu spät zum Bahnsteig zu kommen, man ist außer Atem und sieht vom Zug nur noch die Rücklichter.
Jesus ist so ein Gast, auf den man sich offenbar freut. Und ebenso offenbar hat Jesus vor, etwas als Gastgeschenk zu geben. Er bringt Gottes Wort in seinem Leben mit. Ob da nur ein trockenes Brötchen auf dem Tisch liegt oder sich die Balken unter der Last der opulenten Speisen biegen: Besser als die Botschaft der begleitenden Liebe wird die kulinarische Abteilung nicht punkten können. Maria lässt sich auf das Wort ein, Marta reibt sich bei dem auf, was dem Gast gar nicht so wichtig ist. Ihm liegt gar nicht an der Opulenz, sondern an der Gemeinschaft. Und das wohl bis heute. Denn das verschwindend kleine Stück Brot, welches für uns gebrochen wird und der kleine Schluck Wein, der geteilt wird, ist nicht im körperlichen Sinne sättigend oder berauschend. Der Gedanke daran, dass sich uns Gott selbst in die Hand legt und mit uns untrennbar verbunden durch das Leben geht, passt auf keinen Tisch der Erde, so großartig ist er.
Und wenn das Evangelium heute nur ein Hinweis darauf ist, wie wir mit uns selbst umgehen sollen? Wenn wir unseren Gästen nicht die zwanzigste Frikadelle schenken, sondern unsere ungeteilte Aufmerksamkeit? Wenn wir – gerne auch nach einem guten Imbiss – dann Hunger auf das Miteinander haben? Wenn dieses Miteinander auch nach 65 Jahren die Freude aneinander erkennen lässt?
Dann sind wir wohl in Gottes Sinne unterwegs. Ihnen und mir wünsche ich bei diesem gemeinsamen Mahl des Lebens einen guten Appetit.
Tim Wollenhaupt