6. Sonntag im Jahreskreis, 17.02.2019
Zum Evangelium nach Lukas 6, 17. 20 – 26
So ein richtig schöner Sonntag beginnt für mich mit einem deutlich späteren Aufstehen als während der Woche. Und mit einem gemeinsamen Frühstück. Mit Kerze. Und einem gegenseitig geschenkten Lächeln. Klar, ich gehe satt zur Kirche.
Satt im Sinne von körperlichem Hunger. Allein das ist schon eine Gefahr. Denn es gibt diese Sonntage, an denen es schön warm ist in der Kirche. Und wenn man sich dann gemütlich zurücklehnt, in eine Jacke gekuschelt und von den Harmonien der Musik bewegt, dann kann es schon mal vorkommen, dass bei der einen oder anderen Situation die Gedanken wegschweben – und das Bewusstsein gleich mitnehmen.
„Selig, ihr Armen, die ihr jetzt hungert, die ihr jetzt weint, die gehasst werden…“ Hoppla. Keine Sorge, dabei schlafe ich ganz gewiss nicht ein. Aber wo bin ich denn da gemeint? Finanziell arm? Körperlich ausgehungert? Weinend? Gehasst? So richtig komme ich nach meiner Wahrnehmung in diesem Evangelium wohl kaum vor.
Und was ist, wenn Jesus ein anderes „satt“ meint? Komme ich noch zu dem Evangeliumstext als Hungernder nach geistlicher Nahrung? Will ich mich nur berieseln lassen oder habe ich den Wunsch, mich aktiv mit dem Text auseinander zu setzen? Habe ich das Gefühl, dass mir nichts passieren kann, weil ich ja ausgesorgt zu haben glaube? Weil mir alle so freundlich zunicken?
Reichtum, Ruhm, Sattheit. Weltliche Werte. Ich kann theoretisch alles besitzen und doch binnen weniger Augenblicke bettelarm werden. Wer gemobbt wird, versteht nicht, weshalb man ihm nicht wenigstens menschenwürdig begegnet, erlebt aber, ganz unten zu sein. Und mein Frühstücksbrötchen macht satt, aber nur bis zum Mittagessen.
Was wohl eher gemeint ist, ist unser zufriedenes Gefühl, was sich mit einer vertrauten Liturgie einstellt. Wir wissen, was drankommt, wir wissen um die erlösende Zusage und wir gehen wie selbstverständlich zum Altar, um die Kommunion zu empfangen. Und gerade in diese vertraute Zufriedenheit kommt Jesu Warnung. Wir sollen uns nicht sicher sein in der liturgischen Gewohnheit. Wir sollen uns nicht das geteilte Brot in den Mund legen wie einen normalen Keks. Wir können nicht schon vorher wissen, was uns mitgeteilt wird. Wenn wir ehrlich sind, stimmt es doch, wenn wir beten: „Und die Liebe Gottes, die größer ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus.“ So gedankensatt kann ich gar nicht sein, als dass mir das Geschenk von Gottes Liebe selbstverständlich werden kann. Also sollte ich auch nicht so tun.
Der Evangeliumstext rät mir, wach zu bleiben, das Wort Gottes als appetitliche Speise zu sehen, bei der mir das Wasser im Geist zusammenläuft. Das ist erforderlich, denn anders wird es schwierig, mir auch nur vorstellen zu können, dass ich wieder lachen werde, wenn mir gerade zum Heulen ist. Und erst recht sollte ich wach genug sein, um meinen weinenden Nachbarn in den Arm zu nehmen und ihn spüren zu lassen, dass da ein tatsächliches Geschenk der Liebe über uns beiden ausgesprochen wurde.
Ganz anders als im wörtlichen Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Hunger. Und bleiben Sie bitte arm, damit Sie beschenkt werden können.
Tim Wollenhaupt