- Sonntag im Jahreskreis, 14.01.2018
Zum Evangelium nach Johannes 1, 35 – 42
Ihr Name steht wahrscheinlich auf verschiedenen Dokumenten. Die Geburtsurkunde ist zu nennen, der Personalausweis, für Reisende der Reisepass, ein Dienstausweis ist denkbar oder die Versichertenkarte und die Kreditkarte. Das gilt für uns alle. So, wie Jesus Simon seine Abstammung benennt: „Du bist Simon, der Sohn des Johannes…“
Und dann kommt ein merkwürdiger Satzteil: „Du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet: Fels – Petrus.“
Wir sind hier im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums, ganz weit vorn. Und wenn wir in der Bibel weiterblättern, dann stoßen wir noch einmal auf diese Umbenennung, kurz vor der Gefangennahme Jesu und der nachfolgenden Kreuzigung: „Du bist der Fels, auf den ich meine Kirche baue“ (Mt 16, 18). Zwei unterschiedliche Evangelien, zwei Umbenennungen, einmal ganz am Anfang, einmal vor dem Ostergeschehen. Bei Johannes ist das Ganze eingebettet in das Erleben zweier Jünger, die Jesu Einladung folgen. Aber auch das nicht von sich aus, sondern auf den Hinweis eines Vertrauten, Johannes des Täufers: „Seht, das Lamm Gottes.“ Lamm in diesem Zusammenhang ist immer ein Opfertier, Johannes verweist also ebenfalls auf das Ostergeschehen. Bemerkenswert ist das deshalb, weil er dieses Ostergeschehen selbst nicht mehr erleben wird. Also handelt es sich nicht um eine Tatsachenbeschreibung, sondern um eine Textkonstruktion. Fragen wir also nach der Essenz des Textes.
Ich selbst bin nicht von mir aus in eine Kirche gegangen. Das erste Mal wurde ich als Kleinstkind in eine Kirche getragen. Wie viele andere auch bin ich dort getauft worden und hatte von Anfang an Menschen an meiner Seite, die meinen Weg begleiteten und meine Fragen beantworteten. Man könnte sagen: Ich hatte Vertraute, die mich mit dem größten Vertrauten vertraut gemacht haben. Genau das ist für mich die Essenz dieses Textes: Wir hören nicht davon, was die beiden Jünger von Jesus gehört haben, als sie seiner Einladung „kommt und seht“ gefolgt sind. Aber es muss ergreifend gewesen sein, denn einer der Jünger holt seinen Bruder Simon herbei und sagt ihm nicht: „Der Mensch da, der ist interessant, der erzählt tolle Sachen.“ Er wird wiedergegeben mit den Worten: „Wir haben den Messias gefunden.“ Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass einer meiner umgebenden Menschen so von einem Lebenden gesprochen hat. Der kleine Satz im Evangelium ist ein Werturteil, welches Jesus zum Gesalbten, dem mit königlicher Würde Ausgestatteten macht. Es umreißt seine Macht, es signalisiert auch seine Verantwortung. Simon folgt dem vertrauten Bruder zu Jesus und wird zu Jesu Jünger. Ein Fischer, ein einfacher, manchmal aufbrausender und überhaupt nicht theologisch Vorgebildeter. Das ist das Basispersonal unseres Glaubens – nicht der Kirche. Menschen, die sich anstecken lassen vom Erzählen von Gott, vom Weitersagen Seiner Verheißung und von Gottes Versprechen, den Tod zu überwinden.
Mit meinen Vertrauten habe ich nach dem Schlusssegen die Kirche wieder verlassen – gemeint ist damit der Raum, nicht die Gemeinschaft. Und heute versuche ich, anderen Menschen von diesem Jesus zu erzählen. Nicht als Schriftgelehrter, nicht als Experte. Sondern staunend und begeistert wie der einfache Fischer Simon, den Jesus Petrus nennt. Einschließlich meiner Fehler.
„Kommt und seht.“ Das ist eine Einladung, sich erzählen und entzünden zu lassen. Und es mündet nicht im Schlussapplaus für eine gelungene Vorstellung, sondern in dem Auftrag des Weitersagens. Ein „Halleluja“ soll man als ernst gemeintes Urteil anerkennen können.
Ihnen wünsche ich solch ein Erlebnis: eine Einladung, Gott selbst zu begegnen. In Liebe und in der Perspektive auf das Leben. Und dieses Erleben möge zum Fundament werden, auf dem man einen ganzen Glauben aufbauen kann und von dem man berichten will.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen
Tim Wollenhaupt