Osternacht, 16.04.2017
Zum Evangelium nach Matthäus 28, 1 – 10
Wer als Kind in Wattenscheid aufgewachsen ist, kennt zwei Friedhöfe, die unmittelbar an der Autobahn A 40 liegen. Der evangelische Westenfelder Friedhof und der katholische Propsteifriedhof grenzen so nah an den Asphalt, dass ich mich als Kind gewundert habe, wie man in dieser Gegend „zur ewigen Ruhe gebettet“ werden kann und „in Frieden ruhen“ können soll. Und auch nach dem umfangreichen Umbau der A 40 mit Flüsterasphalt und Lärmschutzwänden bleibt es mir unbegreiflich.
Unbegreiflich. Schon die Frage nach der Ruhe. Wie unbegreiflich muss es erst sein, wenn man auf einen Friedhof geht und der Totgeglaubte begegnet mir und grüßt mich herzlich?
Das Evangelium der Osternacht schildert das. Und das Evangelium schildert noch mehr: Jesus lässt sich berühren. Die Frauen, die vom Grab kommen, „umfassten seine Füße“. Das, was man nicht verstehen kann, macht Jesus begreifbar, im wörtlichen Sinne. Seht, ich lebe. Fasst mich an und überzeugt euch, damit ihr andere überzeugen könnt. Und auch ihnen wird Jesus begegnen, er wird mit ihnen das Brot brechen und den zweifelnden Jünger Thomas einladen, ihn zu berühren.
In jeder Osternacht in der Kirche St. Maria Magdalena erleben wir viel. Wir stellen fest, dass in dieser männergeprägten Kirche ausgerechnet Frauen die ersten Zeuginnen der Auferstehung sind. Später wird von ihnen berichtet (beim Emmausevangelium), dass sie die Jünger in Aufruhr versetzten und ich bitte herzlich darum, dass Frauen diese Kirche immer wieder neu aufmischen sollen.
Und wir erleben in dieser umfangreichen Feier immer wieder Taufen. Mit einem begehbaren Taufbecken im aufstrahlenden Licht des jungen Sonntages bekräftigen Menschen ihren Glauben und lassen sich hineinnehmen in die Gemeinschaft derer, die von der Auferstehung Zeugnis geben. Dreimal tauchen die Menschen ins Wasser ein, dreimal erleben sie eine lebensfeindliche Umgebung, die an die drei Tage erinnern kann, die Jesus tot war. Und dann gehen sie aus dem Taufbecken in die offenen Arme von Menschen, die sie mit einem weißen Tuch im Licht empfangen. Und zu jedem getauften Menschen sagt Jesus durch die Gemeinde „sei gegrüßt!“.
Was für ein neuer Morgen. Gemeinsam mit allen anderen darf ich mich darüber freuen, dass uns Leben geschenkt ist. Ein Leben, das sich durch den irdischen Tod nicht beenden lässt. Das bleibt unbegreiflich. Und stärkt doch ungemein.
Ihnen wünsche ich, dass Ihnen immer wieder jemand entgegentritt und Ihnen sagt „sei gegrüßt“. Und ich wünsche Ihnen, dass sie hinter diesen zwei Worten das unbegreifliche Versprechen göttlicher Liebe sehen und sich gestärkt fühlen. Frohe und gesegnete Ostern.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.