- Adventssonntag, 27.11.2016
Zum Evangelium nach Matthäus 24, 29-44
Frohes neues Jahr. Was erwarten Sie von diesem Jahr?
Moment. Frohes neues Jahr? Ach ja, das Kirchenjahr beginnt ja nicht im Januar, sondern am ersten Adventssonntag. Das lässt mich immer wieder aufhorchen. Und vielleicht will das heutige Evangelium genau das: Aufrütteln, wach machen, aus dem normalen Trott ausbrechen.
Und meine Erwartungen an dieses Jahr? Ganz speziell auf die Gemeinde bezogen gibt es ab heute unmittelbare Änderungen: Die Messzeiten in manchen Kirchen ändern sich. An manchen Stellen wird nun statt morgens abends die Messe gefeiert. An manchen Stellen sonntags, nicht mehr samstags. Schon weit vorher wurde Kritik laut, ob man denn erwarten könne, dass dann immer noch so viele Gläubige in die Kirchen kommen. Mancherorts wurde auch erwartet, dass die veränderten Zeiten dazu führen könnten, dass sich mehr Menschen von der Kirche abwenden.
Meine Erwartung sieht anders aus. Denn Kirche ist für mich nicht das ummauerte Gebäude, zu dem ich nach einem festgelegten Terminplan gehe. Kirche ist für mich da, wo Menschen sie zulassen. Das kann mal in der einen und mal in der anderen Kirche sein. Aber ebenso gut könnte man einen Gottesdienst auch auf einem abgeernteten Rübenacker feiern. Oder an einem See. Bei uns zuhause. Mehrfach habe ich das schon erlebt, dass ein Priester nach Hause kam, ein paar Utensilien auspackte, sich die Stola umlegte und mit einem meist älteren Kranken als Hauptperson und dessen Angehörigen eine Minimesse feierte. Und dann fragte ich mich, ob das denn ein vollständiger Gottesdienst sei, so ganz ohne Orgel, Weihrauch und große Gemeinde. Jesus selbst gibt eine kluge Antwort: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Sie finden diese Passage bei Matthäus 18, 20. Lesen Sie etwas davon, dass Jesus zur Bedingung macht, dass ein Gebäude die zwei oder drei umgeben muss? Dass er nur nach einem festgelegten Terminplan anwesend sein könne? Und dass man in einer liturgischen Gewandung in seinem Namen zusammen zu kommen habe? Die einzige Bedingung, die ich lesen kann, ist „in seinem Namen“. Zwischen den Gläubigen soll gelten, dass sie sich zu Gottes Lob versammeln oder/und ihn um Begleitung bitten möchten. Es ist keine Skatrunde, sondern ein Gottesdienst. Wo und wann auch immer.
Statt einer Erwartung habe ich eine Hoffnung. Und sie basiert auch auf dem heutigen Evangelium. „Ihr wisst nicht, wann euer Herr kommt“. Das macht nicht ängstlich, finde ich. Das rüttelt auf. Gott kann mir jederzeit begegnen. Ganz gleich, ob es gerade erwartbar war oder nicht. Entsprechend sollte ich nicht in Demut, Meditation und Reue verharren, sondern mein Leben mit anderen entsprechend gestalten. Klar, dabei gibt es auch terminliche Absprachen. Und klar, es ist schön, wenn möglichst viele Menschen in gleicher Intention zusammen sind. Aber für einen kleinen, berührenden Gottesdienst reichen prinzipiell zwei Menschen, die miteinander und füreinander leben. Das sollte sich wohl ganz unabhängig von beibehaltenen oder geänderten Zeiten in Gebäuden ermöglichen lassen. Denn dann können wir erwarten, dass Gott unter uns sein wird. Als Erwartung reicht mir das völlig.
Und auch, wenn sich das heutige Evangelium ein wenig bedrohlicher ausdrückt, von Fluten, verfinsterter Sonne und einem nächtlichen Dieb spricht: Jesus kündigt das Kommen Gottes an. Es ist Advent. Bereiten wir uns darauf vor, das Leben zu hinterfragen. Und erwarten wir ein wenig mehr Liebe.
Ihnen einen schönen ersten Advent
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.