Zum Evangelium Lukas 10, 38-42 am Sonntag, dem 17.7.2016
»Als Jesus mit seinen Jüngern weiterzog, kam er in ein Dorf. Dort nahm ihn eine Frau namens Marta gastlich auf. Sie hatte eine Schwester mit Namen Maria, die setzte sich zu Füßen des Herrn nieder und hörte ihm zu. Marta dagegen war voll damit beschäftigt, das Essen vorzubereiten. Schließlich trat Marta vor Jesus hin und sagte: „Herr, kümmert es dich nicht, dass mich meine Schwester die ganze Arbeit allein tun lässt? Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!“ Der Herr antwortete ihr: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und verlierst dich an vielerlei, aber nur eins ist nötig. Maria hat die richtige Wahl getroffen. Sie hat sich für ein Gut entschieden, das ihr niemand wegnehmen kann.“
Welches ist die »richtige« Wahl?
Ist Martas Wahl die Richtige? Sie kümmert sich um ihren Besuch, sie ist gastfreundlich. Wer von uns ist das nicht? Wenn man Besuch bekommt, hat man Getränke und etwas zum Essen bereit und versucht es dem Gast so angenehm wie möglich zu machen. Ist Marias Wahl die Richtige? Sie setzt sich zu ihrem Gast Jesus und kümmert sich um ihn. Sie leistet ihm Gesellschaft, führt Konversation und lauscht seinen Worten. Soll sie etwa mit in die Küche gehen und Jesus allein stehen lassen? Macht man so etwas mit einem Gast? Soll Marta sich etwa dazu setzen und sich mit den beiden unterhalten und Jesu Worten lauschen? Aber durch die lange Reise ist Jesus sicherlich hungrig und braucht eine Stärkung. Macht man so etwas mit seinem Gast?
Mir ist beim Lesen der Bibelstelle das Bild „Christus bei Maria und Martha“ von Jan Vermeer (Jan Vermeer, 1654/1655, National Gallery of Scotland, Edinburgh) in den Sinn gekommen, welches er Mitte des 17. Jahrhunderts gefertigt hat. Vermeer hat die Bibelstelle dieses Sonntags aus dem Lukasevangelium sehr lebendig und ausdrucksstark verbildlicht. Das Kunstwerk macht das Gespräch von Marta, Maria und Jesus mithilfe von einigen wenigen Gesten und Blicken lebendig.
Jesus sitzt an einem Tisch, zu seinen Füßen hockt Maria auf einem Schemel und blickt gespannt und mit interessiertem Blick zu ihm herauf. Von der Seite scheint Marta gerade an den Tische getreten zu sein. Der restliche Raum liegt im Dunkeln. Jesus trägt ein violettes langes Gewand und darüber ein blaues Obergewand. welches am Boden beinahe übergangslos in den blauen Rock von Maria übergeht. So schafft Vermeer eine Verbundenheit zwischen diesen beiden Personen, welche sich in dem Gespräch wiederfindet. Maria trägt eine rote Bluse und ein helles beigefarbenes Tuch um den Kopf, ihre nackten Füße schauen unter dem Rock hervor. Der Tisch ist mit einem strahlend weißen Tuch bedeckt und trennt Maria und Jesus im Vordergrund von Marta, welche hinter dem Tisch steht. Diese beugt sich jedoch so weit vor, dass sie die Trennung durch den Tisch beinahe auflöst. Marta trägt ein gelbes Gewand mit einem weißen Unterkleid und ebenfalls ein beiges Tuch um den Kopf. An dieser Stelle schafft Vermeer durch das gleichfarbige Kopftuch eine optische Verbindung von den beiden Schwestern. Marta hält einen Korb mit Brot in den Händen, stellt ihn auf dem Tisch ab und spricht Jesus an. Er schaut zu Marta hinauf und weist gleichzeitig mit seinem rechten Arm und dem weisenden Zeigefinger auf die am Boden sitzende Maria.
Der Mittelpunkt des Bildes ist die zeigende Hand Jesu, die auf Maria weist und uns zeigt, was Jesus sagen will: ihr Weg ist der richtige! Höre das Wort! Nimm es auf und handle danach!
Jesus rät Marta, sich nicht in ihren Sorgen, in ihrem immer gleichen Trott, in ihren vielleicht zu hohen Ansprüchen und ihrem Bestreben den Normen und dem von ihr Erwarteten zu entsprechen, zu verlieren. Er weist sie darauf hin, dass Maria die richtige Wahl getroffen hat. All dies kommt in dieser kleinen, unbedeutenden und doch im Mittelpunkt des Bildes stehenden Geste zum Ausdruck: die zeigende Hand. Die Einheit von Maria und Jesus in ihrem Tun zeigt der Künstler ebenfalls durch die gewählte Bildkomposition. Jesus und Maria sitzen im Vordergrund vor dem Tisch, während Marta dahinter steht. Allerdings sehe ich auch die Wichtigkeit von Martas Aufgabe, denn ohne sie, würde das Essen nicht fertig sein, müsste ihr Gast Jesus hungern. Marta hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich auf diese Art und Weise um Jesus zu kümmern, während Maria eine andere Art wählt.
Die beiden Schwestern Maria und Marta sind so unterschiedlich und gegensätzlich und doch verbindet sie ihr Glaube und ihre Gefolgschaft zu Jesus Christus. Jeder von uns ist anders in seinem oder ihrem Glauben, seiner oder ihrer Nachfolge, seiner oder ihrer Aktivität im Gemeindeleben, aber gerade das macht uns Menschen aus und unsere Gemeinde so vielseitig und lebendig.
Julia Hielscher
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.