- Sonntag im Jahreskreis, 30.08.2015
Zum Evangelium nach Markus 7, 1-8. 14-15. 21-23
Den Feiertag heiligen. Am Sonntag pünktlich in die Kirche gehen. Immer schön höflich zum Vorgesetzten sein. Rechts vor links beachten. Lass Dich bloß nicht erwischen!
Regeln sind gut. Regeln sind wichtig. Wer weiß das besser als die Meister im Regelaufstellen, wir Europäer? Und natürlich ist es einfach, irgendwo nachzulesen und dem anderen schwarz auf weiß unter die Nase zu halten, dass man selbst Recht hat. Schließlich leben wir ja in einem Rechtsstaat.
Stimmt alles. Bis zu dem Punkt, an dem die Regel zum Selbstzweck wird. Bis wir nicht mehr nachdenken. Immer wieder weist uns Jesus darauf hin. Er geht zu der Frau am Brunnen und spricht mit ihr. Er erzählt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Grenzen zwischen Menschen können der Menschlichkeit schaden. Und im heutigen Evangelium macht Jesus den Schriftgelehrten deutlich, dass Regeln Grenzen haben. „Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.“
Manche dieser menschgemachten Satzungen gelten in der Kirche. Knien bei der Einsetzung. Die genaue Beschaffenheit von Hostien und Messwein. Doch ist es wirklich wichtig, ob ich in eine Kirche gehe? Ob ich mein Knie beuge? Bin ich ein Christ zweiter Klasse, wenn ich mich nicht mehr hinknien kann? Wenn der Bus nicht fuhr und ich fünf Minuten nach Beginn der Messe erst die Kirchentür erreiche?
Jesus verweist darauf, wie es in unserem Inneren bestellt ist. Nicht das Händeschütteln beim Friedensgruß entscheidet, sondern ob ich im Inneren zum Frieden bereit bin. Und die Anwesenheit in der Kirche ist gewiss nicht heilsam, wenn ich dauernd auf mein Smartphone schiele.
Die Schriftgelehrten sehen auf die „unreinen“ Hände der Jünger. Sie machen ihr Urteil an Äußerlichkeiten fest. Ich finde es ziemlich tröstlich, dass das äußerlich Wahrnehmbare Gott nicht interessiert. Viel besser finde ich, dass Jesus zur Freiheit ermahnt. Da kann es zum Übelsten kommen, sicher. Aber eben auch zur grenzenlosen Liebe. Sich einem anderen zuwenden, ein Lächeln zu schenken – dazu braucht es weder ein Gesetz noch einen Kontrolleur. Nicht die Regel des Menschen ist wichtig. Sondern die Ernsthaftigkeit im Glauben.
Ihnen wünsche ich, dass Ihnen ein reines Lachen begegnet. Ungeregelt. Grenzenlos. Und von Herzen.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.