Zum Evangelium nach Matthäus 5, 38 – 48 am 23.02.2014
„Der hat aber angefangen!“ Mit diesem einfachen Satz lassen sich Sandkastenstreitereien ebenso rechtfertigen wie kriegerische Eskalationen. Natürlich ist es in einer solchen Situation schwierig, ruhig zu bleiben. Als Sandkastenaufsicht ebenso wie als Staatsrepräsentant in der UNO-Vollversammlung. Sollen wir tatsächlich Unrecht, welches uns angetan wird, lächelnd hinnehmen und gütig für den anderen beten? Sollen wir uns prügeln lassen?
Der Schlag auf die Wange tut weh, selbst, wenn er „nur“ im übertragenen Sinn erfolgt. Wenn Cybermobbing wirkt wie ein Hieb in die Magengrube. Und doch wäre der Schlag, den ich als Antwort ausführen könnte, eine Aggression und nichts, was zum Frieden einlädt. Zynisch ist es, einen Revolver „Peacemaker“ zu nennen. Frieden schafft nicht, wer seinen Feind tötet. Dann mag zwar eine Aggression endgültig vernichtet sein, aber damit wird auch der Mensch vernichtet, mit dem der Friedensschluss erfolgen müsste.
Wir leben alle mit unseren Unzulänglichkeiten. Wir sind zueinander ungerecht, wir reden schlecht über andere, lästern und gönnen den Unsympathen unter uns jedes Missgeschick. Mit anderen Worten: wir sind Menschen. Und doch versichert uns Gott seiner Liebe. Nicht, weil wir Menschen sind, sondern obwohl. Das ist schwer zu begreifen, aber ein richtungsweisender Gedanke: Wenn wir als Menschen unbedingt geliebt werden – also auch dann, wenn wir unglaublichen Mist bauen – vollzieht sich an uns, was Jesus sagt: Gott straft nicht, sondern liebt weiter. Einander in vergebender Liebe zu begegnen heißt nicht, alles hinzunehmen. Es heißt, offen für Vergebung zu bleiben. „Der hat aber angefangen“ – Na, und? Ist die sichere Aussicht auf eine Eskalation etwa eine zuversichtlich stimmende Option?
Es gibt asiatische Kampfkünste, welche die Kraft des Gegners konsequent ins Leere laufen lassen. Der Gegner wird müde, bis er entkräftet aufgibt und im besten Fall mit der Überlegung, von Anfang an im Unrecht gewesen zu sein. Der Bibeltext lädt dazu ein, nicht still zu erdulden, sondern dem anderen in umfassender Liebe zu begegnen. So lange, bis er sich selbst über sein liebloses Handeln klar wird. Dafür braucht es einen langen Atem und eine starke Gemeinschaft. Und genau deshalb richtet sich das Wort, welches zu liebevoller Verantwortung aufruft, nicht an einen einzelnen Menschen, sondern an alle.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männer aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-, und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.