10. Sonntag im Jahreskreis, 11.06.2023
Zum Evangelium nach Matthäus 9, 9 – 13
9 Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach. 10 Und als Jesus in seinem Haus bei Tisch war, siehe, viele Zöllner und Sünder kamen und aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern. 11 Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? 12 Er hörte es und sagte: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 13 Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Bisweilen sieht man ja Bilder von Staatsbanketten. Wohl bekleidete und nicht selten ordensreiche Menschen sitzen an festlicher Tafel, lauschen den Worten wichtiger Gäste, nehmen die edelsten Speisen zu sich und tauschen sich mit den Sitznachbarn über die Geschicke der Zeit aus, spinnen entscheidende Fäden an einem internationalen Netzwerk und machen zwischen Vorsuppe und Dessert Politik.
Schön, interessant, aber nicht meine Realität. Ich war schon mal im Schloss Bellevue und stand auf dem Teppich, auf dem schon die verschiedensten Staatenlenker standen – es hatte rein gar keine Auswirkung auf die internationale Politik. Wer weiß, vielleicht ist das ja auch ganz gut so.
Nehmen wir mal kurz an, Jesus lüde heute zum Abendmahl ein. Wem flattert eine Einladung dann zu? Ihnen? Mir? Sicher. Denn wir brauchen sicher den geistlichen Beistand, den Jesus anbietet. Schön. Man bekommt schon Appetit, nicht wahr?
Und bevor Sie jetzt im Geist die Serviette in den Kragen stecken und auf den Gruß aus der Küche warten, sehen Sie sich mal an diesem imaginären Tisch um. Neben Ihnen sitzen Mörder, Kriegsverbrecher, Betrüger und Menschenfeinde. Nicht, dass Sie in diese Gesellschaft gehören, denn Sie haben keinen Krieg angefangen, niemanden gedemütigt und keinem Menschen geschadet. Sie sitzen nur am Tisch, weil Sie ab und an mit Ihrem Gott hadern.
Aber das ist eigentlich die Aussicht des Evangeliums. Gut, ich würde mich über die Einladung außergewöhnlich freuen, aber die Aussicht auf die potenziellen Sitznachbarn wirkt auf den ersten Blick wie ein übergroßer Schuss Essig in der Vorsuppe.
Was mich dennoch auf den Hauptgang und ein Dessert neugierig macht ist das, was aus dem Evangelium folgt: Ziel dieses Essens ist nicht, satt zu werden von Speisen, sondern satt zu werden an Liebe. Übersättigt vielleicht. So satt, dass das, was an den Tisch geführt hat, auf dem Tisch verbleibt.
Das Dessert eines solchen Mahles wird nicht aus Zucker gefertigt, sondern aus dem Herzen. Gespeist aus einer Küche, die unendlich viele Menschen für alle Ewigkeiten sättigen kann. Und so freue ich mich auf einen Platz an Gottes Tisch. Denn alle an diesem Tisch haben es nötig, satt zu werden in Gottes Sinne. Der eine mit großem, der andere mit kleinerem Appetit.
Ihnen wünsche ich einen guten Hunger.
Tim Wollenhaupt