18. Sonntag im Jahreskreis, 31.07.2022
Zum Evangelium nach Lukas 12, 13 – 21
13 Einer aus der Volksmenge bat Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen! 14 Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt? 15 Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt. 16 Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. 17 Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. 18 Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. 19 Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich! 20 Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? 21 So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.
Man könnte sagen, hier begegnet uns der biblische Gegenentwurf zur Konsumgesellschaft. Jesus steht nicht vor einem Schaufenster und verweist auf die tollste Kleidung. Er ist auch kein Youtube-Influencer, der mit seinen Konsumempfehlungen einen Hype auslöst. Und irgendwie denke ich an eine kurze Sequenz aus den vielen Fail-Videos auf Youtube. Ein Junge steht vor einem Apple-Store. Offenkundig schon irrsinnig lang. Als einer der ersten darf er nach der Eröffnung hinein, als einer der ersten kommt er mit dem stolz erworbenen Smartphone aus dem Geschäft. Mit dem breitesten aller Lächeln öffnet er den Deckel, das Smartphone rutscht heraus, fällt zu Boden und ist teuer bezahlte Geschichte.
Nicht jeder ist so tollpatschig. Viele, die lange für ihren kleinen Wohlstand arbeiten und sparen mussten, gehen höchst sorgsam mit ihrem Besitz um und haben lange Freude daran. Manche Gegenstände sind so gut, dass sie über Generationen hinweg weitergegeben werden und noch immer gute Dienste tun. Selbst dann, wenn man leicht auf die Frage Jesu, wer dereinst den Besitz übernehmen werde, mit entspannter Miene antworten kann: Meine Erben und ich weiß mein Erbe dort in guten Händen, ist die Frage im Kern noch nicht beantwortet. Denn tatsächlich kann ich keinen entscheidenden Sinn allein darin sehen, Besitz lediglich anzusammeln. Nicht der Besitz einer Fotokamera macht mich zum Fotografen, sondern die Nutzung. Und wenn ich meinen Job gut gemacht habe, dann kann ich das nicht in erster Linie an meinem Kontostand ablesen, sondern an einem Lächeln in den Gesichtern von Menschen, denen mein Bild in ihrem Leben etwas geholfen hat. Schon ein paar Mal habe ich Sätze gehört wie: Auf unserer Hochzeit haben Sie ein tolles Bild von meiner Oma gemacht – es war das letzte, bevor sie starb. Der Wert des Bildes ist nicht der Gegenwert des Abzuges, sondern die Lebendigkeit, die die Verstorbene für den Betrachtenden ausstrahlt.
Nicht das Ansammeln von Besitz ist in Jesu Rede verurteilt, sondern die ausschließliche Beschäftigung damit. Die volle Scheune nährt im Gleichnis nur den Besitzer, niemanden sonst. Kommen wir noch mal zu dem Jungen vor dem Apple-Store zurück. Nehmen wir an, er musste sich das Geld für das Smartphone nicht verdienen, sondern erhielt es als Geschenk. Nehmen wir weiter an, das Geschenk kam von einem Menschen, der den Jungen wirklich mag, vielleicht eine Bilderbuch-Oma. Der Elektroschrott auf dem Straßenasphalt erzählt nichts von der großmütterlichen Zuneigung. Eine Umarmung schon. Sie kostet nichts und ist doch unbezahlbar. Und vielleicht hätte die Oma mit dem Umarmen ihres Enkels und der Sicherheit, dass der Enkel immer wieder zu ihr kommen könne, egal, wie groß die Probleme gerade sind, nicht nur dem Enkel das bessere Geschenk gemacht. Vielleicht hätte sie auf ihrem göttlichen Konto ein kräftiges Plus verzeichnen können.
Ihnen wünsche ich einen wahrhaft reichen Tag und eine gute Woche.
Tim Wollenhaupt