Sonntag Christkönig, 21.11.2021
Zum Evangelium nach Johannes 18, 33b – 37
33 Da ging Pilatus wieder in das Prätorium hinein, ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist du der König der Juden? 34 Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus oder haben es dir andere über mich gesagt? 35 Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohepriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan? 36 Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier. 37 Da sagte Pilatus zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
Blaublütige Blätter berichten von den Royals der Welt. Wenn bei Königs geheiratet, getauft oder beigesetzt wird, hängt die halbe Welt vor irgendeinem Bildschirm. Und wenn sich ein Royal ein Ohrläppchen bricht, könnten die Schlagzeilen nicht sensationeller sein. Das alles hat mit Ihnen und mir rein gar nichts zu tun, nüchtern betrachtet.
Wir sind ganz normale Menschen. Nicht besonders hochwohlgeboren, in keine seidenen Pampers gewickelt, gottlob meist ohne Bodyguard in eine ganz normale Schule gegangen und mit unseren Unterschriften entscheiden wir nicht durchgehend auf einer Ebene, die gleich das ganze Land betrifft. Gut so.
Und doch betrifft die Königswürde uns ganz direkt. Denn als getaufte Christen gehören wir für immer zu Christus, der gesalbt ist zum König, Priester und Propheten. So jedenfalls spricht es der Taufende jedem getauften Menschen zu, während das Salböl aufgetragen wird. In den allermeisten Fällen ist es eine Zusage an einen Menschen, der den Sinn dieser Botschaft noch nicht ansatzweise erfassen kann – aber dafür gibt es ja die Taufpaten und die Familie, die für diese Lebensfrage ganz entscheidend heranzuziehen sind.
Eigentlich stehen wir alle also vor Pilatus. Und wir alle haben keine martialischen Kohorten im Hintergrund, die für unsere Freiheit und unseren Wohlstand kämpfen. Brauchen wir auch nicht, denn auch unser Königtum ist nicht von dieser Welt, folglich kann es uns auch nicht von der Welt genommen werden.
Manchmal wünschte ich mir die Gelassenheit Jesu. Er weiß, vor wem er steht und er weiß auch, was auf den entspannten Plausch folgt, nämlich Geißelung, Verhöhnung und gewaltsamer Tod. Und dennoch bleibt Jesus in der Erzählung unglaublich ruhig. Mit der Selbstsicherheit, dass der irdische Tod, der Jesus droht, sein Leben nie vernichten wird. Im Gegenteil: Der Kreuzestod ist Teil der Auferstehung und des Erlösungsversprechens. Bei diesem Schauspiel des liebenden Lebens ist Pilatus vielleicht der, der am Eingang die Karten abreißt. Nützlich, aber nicht entscheidend. Und vielleicht könnte man diese Erfahrung aus dem Evangelium auf jede Herausforderung im eigenen Leben übertragen: Selbst dann, wenn ich alles Hiesige verlieren kann – mein Leben ist ein Geschenk, über das die Erde nicht verfügen kann. Diese Botschaft ist für mich nicht leicht zu fassen. Aber wenn sie einmal erfasst ist, ist sie so tief in mir, dass die Verbindung für immer hält. Beim Erfassen geht es nicht um Landschaften, die erobert und um Gegner, die überwältigt werden müssen. Es geht um Worte, die allen Christen, ja allen Menschen ein Geschenk aus Liebe verheißen. Königlich macht das „Wort des lebendigen Gottes“.
Ihnen wünsche ich einen schönen Sonntag und für jeden Tag der Woche königliche Gelassenheit.
Tim Wollenhaupt