Zum 2. Sonntag nach Weihnachten (3. Januar 2021)- Evangelium Joh 1, 1-18
Der meist geäußerte Wunsch für das neue Jahr und die Zeit nach Corona heißt wohl „Rückkehr zur gewohnten Normalität“. Aber wenn ich die Krise wirklich ernst nehme, lehrt sie uns etwas Anderes, was wir meist nicht so gern hören: Wir müssen neu leben lernen.
Neu leben lernen – heißt etwa wichtige Gegebenheiten unseres Lebens anerkennen:
– Wir sind sehr verletzlich – deshalb sollte jede und jeder auf sich acht geben und zugleich solidarisch aufeinander acht geben und Rücksicht nehmen …
– Wir sollten weniger zurückschauen auf das, worauf wir verzichten müssen oder sollen, und mehr nach vorn schauen: auf die Chancen, die es neu zu entdecken gilt: mehr Zeit, mehr Stille, mehr Fragen, was mir wirklich wichtig ist, was mein Leben hell macht und ihm Tiefe gibt, worauf wir hoffen dürfen …
Dann kann ich entdecken, dass Corona und Weihnachten etwas gemeinsam haben: Es geht um einen Neuanfang! Davon spricht das Evangelium des heutigen Sonntags:
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott …
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt …“ (Joh 1,1.14)
In unserem Fleisch – uns ganz nahe – so hat Gott neu angefangen: damals in Betlehem und seitdem immer wieder neu in jedem Menschen – auch in dir und mir!
Der Priester und Dichter Andreas Knapp hat dieses weihnachtliche Geheimnis prägnant ins Wort gebracht:
wunschzettel
in tausend wünschen
endlose jagd
nach hülle und fülle
sein wie gott
der aber
hegt nur
einen wunsch
den menschlichen menschen
einmal hat er sich selbst
diesen wunsch erfüllt
und wartet seitdem
auf nachahmung
In dieser merkwürdigen Zeit der Pandemie, wo Nähe und Berührung so sehr fehlen, sind menschliche Menschen ein besonderes Geschenk. Sie ermutigen zur Nachahmung und lassen ahnen, worauf wir hoffen dürfen. So lese ich heute auch die Worte des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus:
„Der Gott Jesu Christi … erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid …“ (Eph 1,18)
Burkhard Schönwälder