2. Adventssonntag, 6.12.2020
Zum Evangelium nach Markus 1, 1 – 20
Er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.
Für viele Menschen gibt es heute eine vorwiegend süße Überraschung, denn heute wird an den Heiligen Nikolaus gedacht. Auch in Familien und bei Freunden, die es sonst nicht so mit Namenstagen haben. Aber zu Nikolaus gibt es eine Kleinigkeit. Meist ist sie aus Schokolade, manchmal auch in einer halbgesunden Mischung mit leckeren Äpfeln, Orangen und ein paar Nüssen. Und in manchen Familien ist es bis heute Brauch, dass am Abend vorher die Stiefel geputzt und an der Tür bereitgestellt wurden.
Ich finde den Brauch schön, weil er etwas transportiert: Nachfolge ist keine Einbahnstraße, man bekommt etwas zurück. Und dieses Etwas kann ein süßer Dank sein, ein freundliches Lächeln oder das Erlebnis von Gemeinschaft – nicht die schlechtesten Geschenke in einer Zeit der verordneten Distanz durch Covid-19.
Traditionell wurde in Wattenscheid auch in den vergangenen Jahren die Firmung der Gesamtpfarrei St. Gertrud von Brabant gefeiert. In diesem Jahr nicht. Wenn ich also die Worte des heutigen Evangeliumstextes lese, dann denke ich als Katechet auch daran, was in diesem Jahr ganz besonders gefehlt hat: Die gemeinsame Überlegung mit anderen Menschen, was dieser Glaube für andere und für mich eigentlich bedeutet, welche Auswirkungen die uralte Geschichte für mein heutiges Leben hat. Da bleibt außer der Süßigkeit zum Nikolaustag für das normale Leben noch etwas übrig: Das Bewusstsein, Getaufter zu sein. Ein Mensch, der in das Leben gerufen wurde. Eingeladen zu einem Leben, welches nicht endet. Und aufgerufen, die Lebenssituationen nach Möglichkeit zu verbessern. Das setzt bisweilen nicht viel Arbeit voraus. Die Frage beim Nachbarn, ob man etwas mitbringen soll, ist mehr als nur praktisch. Sie zeigt beiden: Du bist mir wichtig. Ich will, dass es Dir an nichts mangelt. Nicht am Toilettenpapier und nicht an menschlicher Zuwendung.
Der taufende Johannes im heutigen Evangelium macht aber schon am Anfang des Markusevangeliums klar, dass die Menschen etwas tun können und müssen, damit in ihnen ein fruchtbarer Boden bereitet wird: Das Reflektieren des eigenen Lebens führt zum Erkennen, dass nicht alles Gold war, was man so fabriziert hat. Und mindestens das, was einem ordentlich misslungen ist, sollte man sich vor Augen führen. „Nur aus Fehlern kann man lernen“ hieß es bei mir oft. Das stimmt nicht ganz, von charismatischen Lehrerinnen und Lehrern konnte ich mindestens ebenso gut lernen und etwaige Fehler habe ich gar nicht vermisst. Doch mitunter ist ein misslungener Tag auch eine ganz gute Warnung, den Rest des Lebens anders zu gestalten. Auch vor diesem Hintergrund des Hinterfragens und des Hinterfragtwerdens vermisse ich die ausgefallene – bzw. auf das nächste Frühjahr verschobene – Firmvorbereitung. Es ist schon etwas Besonderes, gerade an einem solchen Tag, der an die Taufe, auch die eigene, erinnert, eine Firmung zu feiern. An die Taufe erinnern und mit dem Geist besiegelt zu werden, ist ein starkes Zeichen für Diejenigen, die vorher darüber nachgedacht haben. Vor allem dann, wenn sofort etwas zurückkommt: Ein Glückwunsch, ein besonderer Segen, eine außergewöhnliche Feier – etwas, was stark im Gedächtnis bleibt.
Manche Kinder in unserer Gemeinde werden mit diesem Adventswochenende ihre Erstkommunion verbinden. Angesichts der sonst üblichen Zeiten für die Erstkommunion ist auch dieser Termin sehr außergewöhnlich. Vielleicht hilft das, sich immer wieder etwas bewusst zu machen: Du bist getauft. Du bist zum Leben eingeladen. Mach Dir und allen anderen ein Geschenk und gestalte das Leben lebenswert.
Umkehr ist dann kein Umweg, sondern die bestens gepflasterte Straße zu einem Miteinander.
Ihnen wünsche ich einen gesegneten zweiten Advent.
Tim Wollenhaupt