Zum Evangelium Mt 10,26 – 33 (12. Sonntag im Jahreskreis, 21. Juni 2020)
Whistleblower sind Menschen, die Informationen bekannt machen, die als Geheimnisse gelten, die nicht enthüllt werden dürfen. Da dies den Mächtigen dieser Welt nicht passt, leben Whistleblower gefährlich. Sie werden verfolgt und verleumdet, müssen sich verstecken oder ins Exil flüchten.
Im heutigen Evangelium sagt uns Jesus: „Werdet Whistleblower!“ Oder wie es im Wortlaut des Matthäusevangeliums heißt:
„… nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern!“ (Mt 10,26b-27)
Oder – wie ich in einer anderen Übersetzung lese: „… und was ich euch ins Ohr flüstere, das verkündet laut in der ganzen Welt.“ (V. 27b)
Was wir also tun sollen und wie das geht, hat mir der gerade gestorbene Verhüllungskünstler Christo gezeigt: Er hat z.B. den Reichstag in Berlin verhüllt oder die Pariser Brücke Pont-Neuf und danach wieder enthüllt; so hat er uns die Augen geöffnet für die jeweilige Eigenart bzw. das ‚Geheimnis‘ der jeweiligen Wirklichkeit. Nach einer begrenzten Zeit der Verhüllung war der Vorhang der Alltäglichkeit zerrissen und wir bekamen eine Ahnung von dem, was dahinter nun neu zu sehen war. So habe ich gelernt, die Wirklichkeit als Vorhang zu sehen, die mir etwas verrät über das dahinter liegende Geheimnis des Schöpfers.
In ähnlicher Weise lassen mich Jesu Leben und Worte etwas entdecken vom Geheimnis Gottes, das darin enthüllt wird. So erging es offenbar auch den Jüngerinnen und Jüngern Jesu, die er damals „wie Schafe unter die Wölfe“ aussandte, seine Botschaft vom Reich Gottes zu den Menschen zu bringen und weiterzusagen: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!“ (Mt 10, 7-8) So haben wir es gerade am vergangenen Sonntag gehört.
Was ist das Geheimnis Gottes, das Sie in Ihrem Leben entdeckt haben und das Sie weitergeben möchten? Darüber lohnt es nachzudenken…
Für mich ist es eine Zusage, die ich vor vielen Jahren in einer Exerzitienwoche begriffen habe: „Du bist ein Wunschkind Gottes!“ Ohne eigenes Verdienst. Ohne Wenn und Aber. Einfach so! –
Das möchte ich möglichst vielen Menschen weitersagen und bekannt machen; denn diese Zusage gilt jedem Menschen: „Du bist ein Wunschkind Gottes!“
Auch und gerade wenn Menschen immer wieder Niedermachendes und Verletzendes durch andere Menschen erfahren und Opfer von Diskriminierung geworden sind … wenn Lebensträume platzen oder Ängste quälen, wenn Anerkennung oder ein Wort der Ermutigung fehlt … – Hier bin ich als Christ gefordert, Whistleblower zu sein, etwas vom Geheimnis Gottes kund zu tun, der mich und uns heute aufrichtet und ermutigt:
„Fürchtet euch nicht vor denen, die euch bedrohen (…) Habt keine Angst! Ihr seid Gott mehr wert als alle Spatzen zusammen.“ (Mt 10, 26a und 31)
Diese Ermutigung brauche ich jeden Tag neu. Auch weil ich jeden Tag Menschen begegne, denen Unrecht geschieht, denen ein Wort der Ermutigung oder der Wertschätzung gut tut …
Weil immer wieder „Whistleblower“ gefragt sind, weil wir als Christen Stellung beziehen müssen.
Weil meine Stellungnahme immer wieder gefragt ist – jeden Tag neu.
Was mir dabei wichtig geworden ist? Die Mitfeier der Sonntagsliturgie und der Sakramente. Denn über die vielen Jahre habe ich durch Pastor Dietmar Schmidt erfahren können, dass und wie die Mitfeier der Liturgie wie ein Vorhang ist, der immer wieder neu den Zugang zum Geheimnis Gottes verheißt, enthüllt und eröffnet …
Burkhard Schönwälder