3. Sonntag der Osterzeit, 05.05.2019
Zum Evangelium nach Johannes 21, 1 – 19
Früher gab es in Wattenscheid eine Fahrschule. In deren Schaufenster stand lange Zeit ein Plakat. Es zeigte eine geplagte Frau mit schweren Tüten. Darunter stand: „Spielen Sie nicht länger Trageesel. Lernen Sie fahren – mit uns.“
Das Plakat bediente ein Klischee: Die Hausfrau als Heimchen am Herd schleppt die Einkäufe und bereitet die Mahlzeit, die mobile Gleichberechtigung am Steuer ist nicht selbstverständlich. Ebenso klischeehaft gehen die Jünger nach dem noch nicht begriffenen Auferstehungserlebnis ihrer gewohnten Arbeit nach und fischen – erfolglos. War da nicht vor einigen Wochen noch ein Evangelium gleichen Zuschnitts? Am 5. Sonntag im Jahreskreis (10. Februar 2019) lasen wir im Evangelium nach Lukas 5, 1 – 11 eine fast gleich lautende Geschichte: Die Fischer um Simon sind ohne Jesus erfolglos unterwegs gewesen, auf sein Geheiß hin gehen sie in der Überzeugung, dass es eigentlich nichts bringen könne, noch einmal auf Fischfang und können den reichen Fang nicht fassen. Am Ende fordert Jesus die Fischer auf, ihm nachzufolgen und in Zukunft Menschen zu fangen.
Vorher Fischer, dann unvollkommene Menschenfischer, dann wieder Fischer und stets ohne Jesus ohne Erfolg. Wenn wir das Bild auflösen, dann sind die fischreichen Fangzüge unter Jesu Wort Bilder für unser Leben und für unsere Kirche. Das Leben wird reich durch Gottes Wort und mit seinem Wort lebt die Kirche in Fülle. Das Leben wird in so vielfältiger Weise geboten, dass es kaum fassbar ist und doch reißt bei aller Vielfalt das Netz nicht. In diese Vielfalt nun wird ausgerechnet Simon geschickt. Wie nachvollziehbar schwer fällt ihm das Vertrauen. Viel einfacher wäre es doch, dem Klischee zu folgen, wieder Fischer zu sein – selbst dann, wenn das eigene Tun erfolglos ist. Immerhin ist es gewohnt. So, wie die Frau auf dem Plakat sich abmüht, müht sich Simon mit den anderen Fischern.
Jesus durchbricht das Klischee. Immer wieder. Er fordert zum Fang auf, zum aktiven Verwirklichen von Gottes Auftrag. Klar, das ist mühsam. Klar, das ist Verzicht auf das Gewohnte. Klar, das macht nicht wirtschaftlich reich. Und klar, Simon muss umlernen. So, wie die Frau auf dem Plakat den Führerschein machen soll. Heute bin ich von Frauen umgeben, die ganz selbstverständlich Auto fahren. Ebenso bin ich von Frauen umgeben, die außergewöhnlich Gottes Wort verkünden. Direkt bei den Menschen, als Gemeinde- und Pastoralreferentinnen. Seltener auch mit dem Zusatz „mit Koordinierungsaufgaben“. Wie gern möchte ich zu diesen Damen „Frau Pastorin“ sagen. Denn sie weiden die Lämmer und Schafe so, wie es Jesus Simon aufträgt. Pastor ist das lateinische Wort für „Hirte“. Letztlich sehe ich in dem reichen Fang den Auftrag an alle von uns, sich dem Wort zu öffnen, quasi den Führerschein für Gottes Botschaft zu machen. Nicht, damit wir nicht länger Trageesel sein müssen, sondern damit unser Leben reicher wird. Angefüllt und begleitet von dem, der das Leben ist, schenkt und über den Tod hinaus bewahrt. Das Evangelium nimmt immer wieder Simon heraus. Dieser ist wahrlich kein Mustervertreter der treuen Nachfolge. Er ist kein Diplomat, kein Wissenschaftler und kein Visionär. Er ist normal menschlich. So, wie wir alle. So, wie die anderen Fischer, so, wie die Frau mit den Einkaufstüten und so wie Sie, wenn sie diesen Text lesen und so wie ich, als ich diesen Text schrieb.
Wenn Sie heute oder in der kommenden Woche im übertragenen Sinne Ihr Netz auswerfen, dann vertrauen Sie doch mal auf Gottes Wort. Legen Sie etwas Liebe ins Netz. Beim Einholen des Netzes wünsche ich Ihnen viel Freude.
Tim Wollenhaupt