Ostersonntag, 21.04.2019
Zum Evangelium nach Lukas 20, 1 – 9
So ein Glück. Unsere Kirche ist benannt nach Maria Magdalena, der „Apostelin der Apostel“, der ersten Zeugin des Auferstandenen und der Interpretin des ewigen Lebens.
Tja, ganz so laut und prächtig ist der Ruf nicht, wenn man sich das heutige Evangelium für den Ostersonntag durchliest. Denn von der Verkündung der Auferstehung durch Maria Magdalena steht da gar nichts. Dem Text zufolge beklagt sie, dass man den Herrn aus dem Grab genommen habe und man nicht wisse, wo man ihn hingelegt hat. Das lässt sich nicht anders interpretieren, als dass Maria Magdalena in dieser Textversion von einem verlegten Leichnam ausgeht, nicht aber von der Auferstehung vom Tod. Das klingt nach Skepsis, nach Frustration, nicht aber nach beglückter Begegnung mit dem Leben aus Liebe.
Das klingt sehr menschlich. Denn so oft ich an einem Grab gestanden habe und so oft ich um die Auferstehung des frisch bestatteten Menschen gebetet habe – Zeuge war ich selbst noch nicht. Doch manchmal durchfährt es mich. Der Telefonanschluss eines Menschen kann noch Jahre später genutzt werden. Und auf meinem Display blinkt dann ein kleines Zeichen dafür, dass mir ein Anruf entgangen ist. Rufe ich diesen Eintrag dann auf, erscheint auf meinem Display die Nachricht, ein Verstorbener habe mich angerufen. An anderen Tagen sehe ich in meinem Kalender den Geburtstag eines Menschen stehen, der schon längst begraben wurde. Dann sehe ich Spuren von dem, was mir eins vertraut war. So, wie die Jünger im Grab die Leinenbinden und das Schweißtuch sehen.
Im Text lesen wir, dass der Jünger, den Jesus liebte, zwar schneller am Grab ist, aber sich nicht hinein traut. Kaum verwunderlich, denn es gibt nichts Gutes zu erwarten: Entweder ist der Leichnam wieder da, dann ist alle Aufregung umsonst gewesen und die vorherige Trauer wird nur verstärkt. Oder der Leichnam ist tatsächlich weg – ist das allein aber ein Grund zur Freude? Mir ist nicht bekannt, ob die Übersetzung der Passage „er sah und glaubte“ Glauben im Sinne des Auferstehungsglaubens meint. Aber doch drückt dieser Text eine entspannte Ruhe aus. Der Jünger ist nicht frustriert, er bricht nicht in Tränen aus, er ist nicht am Boden zerstört. Er nimmt das Fehlen des Todes optisch wahr und wird im Innern bewegt. Glauben ist ein vertrauensvolles Annehmen, von Hoffnung geprägte und wachsende Sicherheit.
Die Überwindung des Todes ist nicht einfach zu glauben. Die Verheißung der Liebe ist so unbegreiflich groß, dass wir wohl ein irdisches Leben lang versuchen, es zu begreifen. So sehen wir die Symptome der Liebe, doch wir sehen immer nur Ausschnitte, ähnlich den Leinenbinden. Gegen diese Kurzsichtigkeit hilft keine Brille. Doch im Gegensatz zu den beiden Jüngern am Grab kennen wir die Schrift und wir wissen auch um die Begegnung anderer Jünger am Ostermontag auf dem Weg nach Emmaus. Und so können wir unserem Sehen etwas leichter den Glauben hinzufügen. Ob wir je klar sehen können, weiß ich nicht. Aber dass wir hoffen und für die verheißene Liebe Gottes danken dürfen, ist gewiss.
Frohe und gesegnete Ostern.
Tim Wollenhaupt