- Sonntag im Jahreskreis, 05.06.2016 – Zum Evangelium nach Lukas 7, 11-17
Egal, was Menschen auch zustande bringen, welche Reichtümer sie anhäufen, welche Erfindungen sie machen und welche Kunst sie auch schaffen: Alles Tun ist endlich. Wir nennen diese Endlichkeit „Tod“. Und manchmal übertragen wir diesen Tod auch auf Situationen in unserem Leben. „Hattest Du nicht vor, hier noch einen Vorgarten zu gestalten?“ – „Die Idee ist gestorben.“ Uns ist unsere Begrenztheit sehr bewusst.
Und was macht Jesus? Er schenkt in diese Begrenztheit hinein Leben aus Liebe. Im Evangelium lesen wir: Da „hatte er Mitleid mit ihr und sagte zu ihr: Weine nicht!“
Für mich wirkt dieser Text ganz entscheidend und zentral. Zunächst einmal ist die Menschheit unmittelbar mit dem Tod konfrontiert. Die Mutter bleibt allein zurück, ihr Mann und ihr gemeinsamer einziger Sohn sind verstorben. Mal ganz abgesehen davon, dass das in biblischer Zeit ganz gewiss eine wirtschaftliche Notlage bedeutet haben dürfte, sind der weinenden Frau ihre beiden nächsten Angehörigen nach menschlichem Ermessen unwiederbringlich genommen. Dem Text zufolge begegnet Jesus dieser trauernden Frau zufällig und lässt ihre Trauer zu seiner Trauer werden.
Nun könnte er vom nahenden Reich Gottes sprechen. Er könnte der Frau Mut zusprechen und ihr von Gottes Liebe erzählen. Wir erleben Jesus in den Evangelien häufig als einen Redner, der den richtigen Ton trifft. Aber in dieser Geschichte ist es anders. Er erzählt nicht von einer fernen Liebe eines anonymen Gottes. Ebenso wie in der bekannten Lazarus-Geschichte schenkt Jesus dem Verstorbenen neues Leben.
Diese Geschichte gibt mir zwei Impulse. Der erste ist, dass man das Zusammentreffen mit der Liebe Gottes nicht planen kann. Man kann also auch nicht gezielt darauf hinarbeiten, dass man ein benötigtes Maß an Liebe gerade dann abrufen kann, wenn man es gerade benötigt. Gott füllt keinen Tank, aus dem ich nach Bedarf schöpfen kann.
Der zweite Impuls ist der noch viel wichtigere: Gott leidet mit. Er nimmt Anteil am Leben der Menschen. Und er schenkt den Menschen, was weit über ihr Vermögen hinaus geht. Mit dem geschenkten Leben macht Jesus sichtbar, wie unendlich weit Gottes Liebe gehen kann. Jesus gibt eine Kostprobe des nicht endenden Lebens. Nicht, weil der trauernde Mensch zuvor so fromm war, viel gespendet hat oder besonders ehrenvoll lebte, sondern einfach aus Mitleid – aus Gnade. Aus diesem Text folgt das Versprechen, dass wir nicht sterben werden, sondern einem individuellen Ostererlebnis entgegen gehen.
Ihnen wünsche ich, dass Ihnen heute jemand sagt: „Weine nicht. Du bist geliebt. Du wirst Dein Ostern erleben!“
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalte