Zum Evangelium Lk 24, 1-12 – Osternacht 2016
Eine Aufforderung, die mir einfach nicht aus dem Kopf geht: Sucht den Lebenden nicht bei den Toten! – Eine Aussage, die zunächst paradox erscheint.
Wir sind sehr geneigt, immer an festen Denkmustern festzuhalten. Als Wirklichkeit gilt in unserer Gesellschaft in der Regel nur das, was sich mit den gängigen naturwissenschaftlichen Methoden messen oder nachweisen lässt. Erst langsam bricht sich die Einsicht Bahn, dass das, was wir als objektiv und nachweisbar erachten, letztendlich auch nur ein Produkt unseres bestehenden Weltbildes ist. Grundlegend neue Einsichten und Erkenntnisse sind erst möglich, wenn man bereit ist, die bestehenden Denkmuster zu verlassen. Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie oder die Pioniere der Quantenphysik wie Werner Heisenberg waren Vorreiter dieser Einsicht. Die Kreativität ihres Denkens ermöglichte erst Strukturen der Wirklichkeit sichtbar werden zu lassen, die vorher im Verborgenen lagen.
Ihr Erlebnis am Grab öffnet die Frauen für ein neues, revolutionäres Denken: Der, der vor ihren Augen gestorben ist, lebt! Und dieser Gedanke wird für sie zur neuen Realität. So sehr sind sie davon ergriffen, dass sie sofort zurückkehren in ihre Gemeinschaft, um auch die anderen an dieser wunderbaren Erkenntnis teilhaben zu lassen.
Aber – wie war es auch anders zu erwarten – die Männer halten das, was die Frauen da erzählen, für „Geschwätz und glaub(t)en ihnen nicht“ (V. 11). Die engen Grenzen ihres Weltbildes verbieten ihnen ein solches Denken! So ganz viel anders ist die Reaktion der vermeintlich sachlichen und vernunftgeprägten Menschen in heutiger Zeit auch nicht. Sehr schnell werden Menschen, die die Möglichkeit einer wesentlich vielschichtigeren Wirklichkeit wahrnehmen, spöttisch als Spinner oder Esoteriker abgetan.
Allerdings wird von Petrus berichtet, dass ihm das Ganze offensichtlich doch keine Ruhe lässt. Er macht sich auf den Weg zum Grab. Mehr als die Binden und Tücher, in die der Leichnam Jesu eingewickelt war, sieht er nicht. Die Szene „spricht“ nicht zu ihm, wie sie es für die offeneren Frauen getan hat, aber immerhin macht er sich auf den Rückweg „voll Verwunderung über das, was geschehen war“ (V. 12b). Das ist doch schon einmal etwas. Ein Mensch, der sich wundert, hat die Chance, sich zu öffnen!
Wundern wir uns! Staunen wir angesichts dessen, was wir hören und erleben, wenn wir miteinander Ostern feiern – vielleicht ereignet sich in uns eine Auf-Erstehung, die unsere Wirklichkeit nachhaltig verändert!
In diesem Sinne frohe und gesegnete Ostern wünscht
Maria Schmale
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.