Zum Evangelium nach Matthäus 26, 14 – 27, 66 – Palmsonntag, 29.03.2015
Ein Fest beginnt meist mit einer Einladung. Das größte Fest der Christen ist Ostern und es dauert eine ganze Woche. Mit Palmsonntag beginnt es. Und wie sieht die Einladung aus? Die gesamte Passionsgeschichte wird vorweggenommen. Alles, was das Leiden Jesu ausmacht, wird erzählt. In einigen wenigen Zeilen wird zwar von der Auferstehung berichtet, aber so unmerklich, dass es fast untergeht. Viel deutlicher ist das bildhafte Zeichen vom zerreißenden Vorhang im Tempel. Vorhang auf, sozusagen.
Wären wir im Theater, wüssten wir, jetzt geht es los. Doch der Glaube an Jesus Christus ist keine Show, keine Unterhaltung. Es gibt auch keinen Applaus oder besondere Preise. Es ist schlicht wichtig. Ohne die Wucht des Leidens ist das Auferstehen unverständlich. Da schläft Jesus nicht einfach ein und verstirbt. Sondern er durchleidet alles, was wir uns vorstellen können. Er wird verhöhnt, gedemütigt, gefoltert, vor aller Augen getötet und wie jeder Mensch beigesetzt. Auf diese Weise soll kein Zweifel an seinem irdischen Tod aufkommen. Denn nur dann, wenn Jesus zweifelsfrei verstorben ist, kann er überhaupt den Tod überwinden.
Zugegeben, die Einladungen zu manchem Fest klangen viel freundlicher als hier. Aber dafür ist Ostern auch etwas anders als ein normales irdisches Fest. Denn ein normales Fest geht vorüber und bleibt bestenfalls in fröhlicher Erinnerung. Es ist – wie alles – vergänglich. An Ostern aber feiern wir die Überwindung der Vergänglichkeit. Mit einer besonderen Einleitung kann ich da gut leben.
In St. Maria Magdalena folgen wir seit einigen Jahren einem lebendigen Esel in die Kirche. Die Passionsgeschichte ist eingebettet in ein anschauliches Spiel, an dem bei weitem nicht nur die Jüngsten der Gemeinde Freude haben. Der Esel heißt Peppino und ist die Ruhe selbst. Es ist ein hübsches Bild. Auf dem Weg zur Kirche wird aus dem Spaß allmählich Ernst. Wir erinnern uns an Jesu Einzug in Jerusalem. Prachtvoll, auf der Höhe seiner irdischen Wirkung angekommen, umjubelt. Und wenige Tag darauf der tiefste Fall ins Grab. Wieder drei Tage darauf die Auferstehung vom Tod. Ich freue mich darauf, wenn vom Bild des zerreißenden Vorhangs die Rede ist. Besonders dann, wenn ich selbst oder Menschen, denen ich mich verbunden fühle, trauern. Dann tut es gut, meinen eigenen Vorhang, den Schleier, durch den ich die Umwelt wahrnehme, zu zerreißen und den Blick frei zu machen auf das Versprechen des ewigen Lebens.
Denjenigen, die in diesen Tagen trauern, wünsche ich eine Kraft spendende Heilige Woche. Allen anderen wünsche ich, dass sie sich auf dieses besondere Fest einlassen können und auch ihren ganz eigenen Vorhang beiseite schieben können.
Tim Wollenhaupt
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.