Zum Evangelium, nach Matthäus 25, 31- 46, am Sonntag, dem 23.11.2014
Welches Szenario!
„Wenn der Menschensohn mit Macht und Herrlichkeit kommt, von allen Engeln begleitet, dann wird er sich auf den königlichen Thron setzen. Alle Völker der Erde werden vor ihm versammelt werden, und er wird die Menschen in zwei Gruppen teilen, so wie ein Hirt die Schafe von den Böcken trennt. Die Schafe wird er auf die rechte Seite stellen und die Böcke auf die linke.“
Sehr eindrucksvoll hat Michelangelo seine Vorstellung dieses Weltgerichtes in der Sixtinischen Kapelle verwirklicht. Welch ein Menschengewimmel, von Leid verzerrte Gesichter, vor Schmerz gekrümmte Körper und diejenigen, die voller Angst auf ihr Urteil warten.
Mir erschließt sich ein anderes Bild.
Erst einmal werden „alle Völker der Erde versammelt werden“, d. h. es wird rassenübergreifend, religionsübergreifend Recht gesprochen, jenseits aller Schranken, die wir Menschen so gerne errichten.
Danach werden die Kriterien benannt, nach denen jedes einzelne Menschenleben beurteilt wird.
„Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!
Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“
Bewertet wird die tätige Nächstenliebe.
Bewertet wird, ob wir, jeder einzelne, erkennt, dass ein Mitmensch hungert, friert, einsam oder nackt ist und ob er eingekerkert ist, umgeben von realen oder irrealen Mauern, krank an Leib und Seele.
„Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden sie ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.“
Was irritiert ist die Aussage, dass diejenigen, die ohne ihr Wissen Gutes getan haben in das Reich Gottes eingehen werden und die diejenigen, die ebenfalls unbewusst
-ohne Bewusstsein- Gutes unterlassen haben, des Teufels sind.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!
Man könnte diesen Richterspruch mehr als ungerecht empfinden!
Wenn man die Regeln nicht kennt, wie soll man sich dann daran halten?
Aber das, was von allen Menschen erwartet wird, ist im Grunde eine allgemeine Moralethik, die Gültigkeit für alle Völker haben sollte.
Es geht darum, dass wir Menschen, das leben, was uns als Menschen auszeichnet, was uns von den anderen Lebewesen unterscheidet:
Die Fähigkeit zu lieben und Liebe zu geben!
Es wird auch nicht von uns erwartet, dass wir eine Lebensleistung vollbringen, die unsere Fähigkeiten überfordert. Es wäre „unmenschlich“ -nahezu „gottähnlich“- wären die Voraussetzungen zur Erlangung des ewigen Lebens so definiert, dass jeder, jedem, jederzeit Gutes angedeihen lassen muss. Das wird nicht verlangt!
Wir sollen nicht die „ganze Welt retten…“. Es reicht, wenn wir „einem von diesen … geringsten Brüdern“ Gutes angedeihen lassen. Und es reicht sogar aus, dass wir das unbewusst –aus dem Herzen heraus, aus Mitgefühl- tun!
Es ist ein Trost für mich zu erkennen, dass Gott bei dieser an uns Christen gestellten Lebensaufgabe offensichtlich unser „Mensch sein“, unsere Schwächen, unser Zaudern im Blick hat und von uns nichts verlangt, was von vornherein entmutigen würde.
Diese Aufgabe scheint lösbar!
Barbara S.
Die Rubrik Impuls zum Sonntag – gibt Frauen und Männern aus unserer Gemeinde die Möglichkeit, ihrem priesterlichen und prophetischen Auftrag Ausdruck zu verleihen. An dieser Stelle finden Sie in jeder Woche neu persönliche Gedanken zum Evangelium des jeweiligen Sonntags – individuelle Lebens-und Glaubenszeugnisse von Menschen, die versuchen, ihr Leben aus der Kraft der Taufe anzunehmen und zu gestalten.