2. Sonntag im Jahreskreis, 15.01.2023
Zum Evangelium nach Johannes 1, 29 – 34
Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! 30 Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. 31 Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird. 32 Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. 33 Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. 34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.
Mit dem Taufen ist das so eine Sache. Wenn man in ein Gotteslob blickt und die entsprechenden Zeilen liest, erkennt man schnell: Prinzipiell kann im äußersten Notfall jeder taufen. Sogar jemand, der nicht selbst getauft ist. Der taufende Mensch muss es lediglich ernst meinen. Wenn man den Text des Evangliums liest, wird man wohl annehmen, dass Johannes sehr davon überzeugt ist, in wessen Namen und mit welcher Zielrichtung er die Menschen mit Wasser tauft.
In der Kirche St. Maria Magdalena taufen viele Menschen. Evangelische Pfarrer haben hier schon im begehbaren Taufbecken getauft, natürlich katholische Priester und Diakone und seit einiger Zeit auch die Gemeindereferentin. Sie spenden alle gültig das einzige Sakrament, welches beide großen christlichen Konfessionen in Deutschland gegenseitig anerkennen. Wer von der einen in die andere christliche Gemeinschaft wechseln möchte, wird vielleicht neu gefirmt oder konfirmiert – aber nicht getauft.
Es ist eigentlich leicht zu verstehen, denn der taufende Mensch tauft nicht nur mit Wasser, sondern er spricht dazu die Worte „ich taufe Dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Das Sakrament wird also stellvertretend gespendet. Das Übergießen mit Wasser und die Worte sind sinnlich wahrnehmbar und sie setzen einen vor Ort Handelnden voraus, doch gemeint ist das Ganze für Gott, von dem wir zwar annehmen, dass er anwesend ist, der sich aber nicht so leicht zu erkennen gibt.
Johannes nutzt die Formulierung: „Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“ Den Satz musste ich erst einmal sacken lassen. Der biblischen Erzählung nach begegneten sich Elisabeth, die Mutter des Johannes und Maria, die Mutter Jesu, zur Zeit der Schwangerschaft. Johannes und Jesus dürften also in etwa gleichaltrig sein. Die Formulierung „der mir voraus ist, weil er vor mir war“ bezieht sich demnach kaum auf den irdischen Altersunterschied zwischen Johannes und Jesus, sondern auf die Annahme, dass Jesus der menschgewordene Gott ist. Als solcher ist er Schöpfer, Gegenwart und ewige Zukunft zugleich. Johannes formuliert diese Überzeugung explizit: „Dieser ist der Sohn Gottes.“
Immer dann, wenn wir einen Menschen segnen, ihm Gottes Beistand wünschen, sprechen wir zum einen die Überzeugung aus, dass Gott da ist und die Menschen begleitet. Eine kleine Taufe, könnte man sagen.
Am Anfang eines Jahres, in wirtschaftlicher Krise und mit einem Krieg in Europa, in vielen Unwägbarkeiten lese ich diesen Evangeliumstext und er wirkt für mich wie ein Gruß zum Weg durch das neue Jahr. Johannes sagt zu mir als lesendem Menschen: Ich weiß, dass Gott da ist. Ich weiß, dass Gott für Dich da ist. Und ich will, dass Du das auch weißt. Du sollst leben in dem Bewusstsein, dass Gott Dich nicht allein lässt.
Beim ersten Lesen fand ich den Text etwas sperrig. Und nun kommt er mir vor wie eine Bestärkung.
Ihnen wünsche ich, dass Sie sich von Gott bestärkt und begleitet fühlen können, wohin Sie in diesem Jahr auch gehen werden.
Tim Wollenhaupt