Palmsonntag, 13.04.2025
Zum Evangelium nach Lukas 19, 28-40 und Lukas 22, 14-23.56
Kapitel 19
28 Nach dieser Rede zog Jesus voran und ging nach Jerusalem hinauf. 29 Und es geschah: Er kam in die Nähe von Betfage und Betanien, an den Berg, der Ölberg heißt, da schickte er zwei seiner Jünger aus 30 und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her! 31 Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr es los?, dann antwortet: Der Herr braucht es. 32 Die Ausgesandten machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. 33 Als sie das Fohlen losbanden, sagten die Leute, denen es gehörte: Warum bindet ihr das Fohlen los? 34 Sie antworteten: Weil der Herr es braucht. 35 Dann führten sie es zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Fohlen und halfen Jesus hinauf. 36 Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf dem Weg aus. 37 Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die Schar der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machttaten, die sie gesehen hatten. 38 Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe! 39 Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: Meister, weise deine Jünger zurecht! 40 Er erwiderte: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.
Kapitel 22
14 Als die Stunde gekommen war, legte er sich mit den Aposteln zu Tisch. 15 Und er sagte zu ihnen: Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. 16 Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes. 17 Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt diesen und teilt ihn untereinander! 18 Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. 19 Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! 20 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. 21 Doch siehe, die Hand dessen, der mich ausliefert, ist mit mir am Tisch. 22 Der Menschensohn muss zwar den Weg gehen, der ihm bestimmt ist. Aber weh dem Menschen, durch den er ausgeliefert wird! 23 Da fragte einer den andern, wer von ihnen das wohl sei, der dies tun werde.
56 Eine Magd sah ihn am Feuer sitzen, schaute ihn genau an und sagte: Der war auch mit ihm zusammen.
Vom König der Juden zum todgeweihten Gefangenen ist es offensichtlich nur ein kurzer Weg und eine Frist von Stunden. Und anstatt dass Jesus sich auf seine Mannschaft verlassen kann, weiß er offenbar schon vorher, dass er von Judas verraten und von Petrus verleugnet wird. Mindestens bei Petrus ist das einigermaßen überraschend, denn er gehört, wenn man es salopp formulieren möchte, sicher nicht zu den gemäßigten Denkern, sondern eher zu den stürmischsten Anhängern des Heilands. Ausgerechnet er hockt am Feuer, wird von einer Zeugin erkannt und wird seine Anhängerschaft Jesu verleugnen.
Wenige Stunden zuvor gehen zwei weit weniger prominente Jünger voraus und nehmen ein Fohlen mit. Nennen wir es beim Namen: Sie rangieren irgendwo zwischen Diebstahl und Unterschlagung und werden dabei ertappt. Und mit der simplen Erklärung „der Herr braucht es“ lässt man das Trio ziehen. Sie sagen nicht „entschuldigen Sie bitte, Jesus braucht für kurze Zeit Ihr Fohlen, könnten Sie uns das bitte kurz ausleihen, wir bringen es auch garantiert gefüttert und gestriegelt in zwei Stunden zurück“. Sie sagen nur, wie ihnen aufgetragen wurde, „der Herr braucht es“.
Was braucht eigentlich Jesus heute? Und worin liegt die Verbindung zwischen diesen einzelnen Textpassagen? Vielleicht liegt sie in der Ausrichtung des Handelns. Die Jünger erfüllen den Auftrag Jesu. Sie denken an ihn bei dem, was sie tun. Sie verlassen sich darauf, dass alles gut wird. Sie fürchten weder juristische Anklage noch lautes Gezeter des Fohlen-Eigners. Und so kommt – dem Text zufolge – auch gar kein Unwille auf.
Von Judas und Petrus können wir sagen, dass sie bei ihrem Handeln vielleicht nicht so sehr auf Jesu Auftrag sehen, sondern auf sich selbst. Von Judas sind die dreißig Silberlinge als Verräterlohn überliefert, Petrus verleugnet seine Anhängerschaft aus Mangel an Selbstbewusstsein oder der Furcht, auf jede Weise unterlegen zu sein.
An sich denken. Das klingt gut. Achtsam gegenüber der eigenen Persönlichkeit sein. Work-Life-Balance. Aufregung ist nicht gut für den Kreislauf. Stimmt.
Für den Moment.
Und dann sehe ich auf diesen Jesus am Tisch. Das ist kein egoistisches Mahl, Jesus weiß genau, was ihm blüht. Der frenetische Einzug ist da längst vorüber. Brot und Wein in guter Gesellschaft steht zum Greifen nah, doch genauso nah ist auch der Ausblick auf Gefangennahme, Folter und Tod. Jesus lädt zum letzten Abendmahl ein und macht seine Gefolgschaft auf diese Einmaligkeit und Letztmaligkeit aufmerksam. Seither feiern wir mit Jesu Worten Eucharistie. Seither wissen wir, dass dieses Mahl ein Bild für die Gemeinschaft mit Gott ist – aber eben auch, dass Jesus es im Bewusstsein feiert, dass er zwar sein Leben für die Menschen geben wird aber diese Menschen menschlich bleiben werden.
Vielleicht ist diese Textkombination eine ganz gute Einladung zur Selbstbetrachtung. Ja, es ist menschlich, auf sich zu achten. Aber dann, wenn es drauf ankommt, kann der Gedanke daran, was wohl „der Herr braucht“, helfen. Es muss dann nicht automatisch der große Alarm losgehen, wohl aber eine Gemeinschaft mit Gott entstehen, die weit über das Mahl hinausgeht. Und im Leben ankommt.
Wenn Sie heute mit Palmen wedeln: Freuen Sie sich. Haben Sie Spaß. Genießen Sie es. Genießen Sie das Mahl mit anderen. Und genießen Sie die Gewissheit, dass Jesus genau weiß, was Leiden, Ausgestoßensein und Alleinsein bedeutet und Sie auch in diesen Situationen begleitet.
Tim Wollenhaupt