16. Sonntag im Jahreskreis, 21.07.2024
Zum Evangelium nach Markus 6, 30 – 34
30 Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. 31 Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. 32 Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. 33 Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an. 34 Als er ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.
Lehrer möchte ich nicht sein. Dachte ich. Und eigentlich bin ich es auch nicht. Nur manchmal. Dann, wenn mir ein Mensch von einem Problem erzählt und ich die Lösung mindestens ansatzweise kenne. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Lösungen dann nachhaltiger wirken, wenn man das Gefühl hat, selbst auf die Lösung gekommen zu sein. Also gibt man sich tendenziell ahnungslos und entwickelt mit Glück einen Lösungsansatz, an dem beide Teile ihre Freude haben: Der Problembehaftete, weil er Licht am Tunnelende sieht und der „Lehrer“, weil man sich für einen Moment für den größten Didakten auf Erden hält. So was kann erfreulich, aber auch anstrengend sein.
Jesus und die Jünger brauchen eine Pause. Das, was Lehrer heute als Pause bezeichnen, reicht nicht für die Rekreation von Mens und Physis. Da braucht es Abgeschiedenheit, einen alternativen Blick auf die Themen, Inspiration zur Übersetzung in die Sprache der zu Belehrenden. Jetzt stelle man sich für einen kurzen Moment vor, die Schülerschaft einer Klasse findet eine Lehrkraft so faszinierend, dass sie nicht nur während des Unterrichtes an den Lippen der Lehrkraft klebt, sondern diese auch nach Schulende bis nach Hause verfolgt und den Rest der gesamten Schule dazu animiert, mitzukommen, womöglich die Lehrkraft unterwegs noch über soziale Medien zu kontaktieren und so weiter und so fort. Die Lehrkraft müsste verzweifeln.
Jesus verzweifelt nicht. Er nimmt sich Zeit. Viel Zeit. „Und er lehrte sie lange.“ Wer ist diese Gruppe, die da belehrt wurde? Mit ziemlicher Sicherheit sind das dieselben, die ihn später verleugnen, nichts verstanden haben und ihn am Kreuz hängen lassen. Wir also. Wir alle, die wir uns heute als Christen bezeichnen, dabei keinerlei Skrupel haben und dennoch vielleicht schlecht über unseren Nachbarn denken, sozial Bedürftigen die Bezüge kürzen und ein Wettrüsten zum Schutz der Nation gutheißen, obwohl uns dieser Lehrer gelehrt hat, Feinde zu lieben und Gewalt nicht eskalieren zu lassen.
Die Bibel ist Gottes Lehrbuch und er lehrt uns noch heute lange. Und wie bei unterrichtsfernen Wesen verfängt die Lehre bei uns nicht. Mindestens nicht immer. Da es irgendwo auf der Welt immer Aktivität gibt, brauchen Teile von uns ununterbrochen einen Lehrer.
Was mich hoffnungsvoll macht, ist die Unermüdlichkeit Jesu. Er erkennt den Lehrbedarf. So, wie Sie und ich vermutlich das Lehrfach kennen: Liebe.
Ich weiß nicht, wie es heute ist, aber bei mir gab es noch Hausaufgaben. Bei Jesus hieße die Hausaufgabe vermutlich: Geh und mach was Gutes. Tu etwas, bei dem Du und Dein Gegenüber erkennen, dass es allein aus einer tiefen Liebe heraus getan wird. Es wird nicht immer klappen, aber versuche es wenigstens.
Ihnen und mir wünsche ich bei der Bewältigung der Hausaufgabe viel Erfolg. Hausaufgaben bereiten ja auf die Prüfungen des Lebens vor und sollen Praxis einüben, bevor es nötig wird. Da ist es doch gut, zu wissen, dass unserer Lehrer kreativ bleibt und wir uns jederzeit an ihn wenden können.
Einen lehrreichen Tag wünscht Ihnen
Tim Wollenhaupt