Palmsonntag, 02.04.2023
Zum Evangelium nach Matthäus 21, 1 – 11 und Matthäus 26, 14 – 27, 66
1 Als sie sich Jerusalem näherten und nach Betfage am Ölberg kamen, schickte Jesus zwei Jünger aus 2 und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir! 3 Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen. 4 Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: 5 Sagt der Tochter Zion: / Siehe, dein König kommt zu dir. / Er ist sanftmütig / und er reitet auf einer Eselin / und auf einem Fohlen, / dem Jungen eines Lasttiers. 6 Die Jünger gingen und taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte. 7 Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie und er setzte sich darauf. 8 Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf dem Weg aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. 9 Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm nachfolgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! / Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. / Hosanna in der Höhe! 10 Als er in Jerusalem einzog, erbebte die ganze Stadt und man fragte: Wer ist dieser? 11 Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.
14 Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohepriestern 15 und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie boten ihm dreißig Silberstücke. 16 Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern.
17 Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote gingen die Jünger zu Jesus und fragten: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten? 18 Er antwortete: Geht in die Stadt zu dem und dem und sagt zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist da; bei dir will ich mit meinen Jüngern das Paschamahl feiern. 19 Die Jünger taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte, und bereiteten das Paschamahl vor.
20 Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwölf Jüngern zu Tisch. 21 Und während sie aßen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich ausliefern. 22 Da wurden sie sehr traurig und einer nach dem andern fragte ihn: Bin ich es etwa, Herr? 23 Er antwortete: Der die Hand mit mir in die Schüssel eintunkt, wird mich ausliefern. 24 Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre. 25 Da fragte Judas, der ihn auslieferte: Bin ich es etwa, Rabbi? Jesus antwortete: Du sagst es. 26 Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib. 27 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihn den Jüngern und sagte: Trinkt alle daraus.
66 Was ist eure Meinung? Sie antworteten: Er ist des Todes schuldig.
Der Spannungsbogen des Evangeliums ist ziemlich gespannt: Triumphaler Einzug, letztes Abendmahl, Auslieferung, Todesurteil. Es ist fast das ganze Spektrum menschlicher Erlebnisse enthalten. Von hemmungsloser Verehrung über Geldgier, Missgunst, Gemeinschaft bis kollektiver Verurteilung. Insofern passt das Erzählte noch immer in unsere Zeit. So mancher im Internet aktive Mensch hat ganz ähnliche Erfahrungen gemacht: Eben noch hochgelobter Influencer, dann Absturz im Shitstorm.
Und das, obwohl doch die Vorzeichen beim Einzug schon nach der alttestamentarischen Prophetie bestens waren, denn da sollte zwar ein König einziehen, aber dezent und sanftmütig im Wesen. Da wäre doch eigentlich Nachsicht und Zurückhaltung anzuempfehlen. Ja, wäre. So wie auch heute.
Auf diese Weise durchlebt Jesus ein ganz normales Leben in seinen Extremen und genau das wird in dem komprimierten Text in Erinnerung gerufen. Jesus, ein Mensch wie du und ich. Jesus, das strahlende Talent, der Verkünder eines die Welt prägenden Ideals der Liebe und doch ein hilfloser Mensch, der von der Masse verurteilt und hingerichtet wird.
All das ist normal. All das ist menschlich. All das ist allgegenwärtig und austauschbar bis heute. Und so ist es ein guter Einstieg in die Besonderheit des Osterfestes. Aus der Summe der menschlichen Erfahrungen heraus ist Gottes Liebesgeschenk nicht zu erfassen. Das Hineingerufensein ins Leben über den Tod hinaus ist kaum zu begreifen und daher finde ich es gut, dass sich Christen eine Woche Zeit nehmen, um dem „Geheimnis des Glaubens“ jedes Jahr neu auf die Spur zu kommen. Ob wir es jemals begreifen können, ist zweifelhaft. Beruhigend ist es hingegen, am Ende der Woche die Auferstehung erspähen zu können und das eigene Leben mit den Erfahrungen Jesu verknüpfen zu können.
Egal, was Du erlebst – Jesus hat es auch erlebt. Und egal, was Dir bevorsteht: Mit Jesus wirst Du über alles hinweg geliebt und ins Leben gerufen bleiben. Von diesem Standpunkt aus betrachtet hat der Palmsonntag tatsächlich etwas, was zum Jubeln einlädt.
Ihnen wünsche ich einen guten und gesegneten Eintritt in die Heilige Woche.
Tim Wollenhaupt