6. Sonntag im Jahreskreis, 13.2.2022
Zum Evangelium nach Lukas 6, 17.20 – 26
17 Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon 18 waren gekommen, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. 20 Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. 21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. 24 Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen. 25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. 26 Weh, wenn euch alle Menschen loben. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.
Gegensätze ziehen sich an, heißt es. Gegensätzlicher als in diesem Evangeliumstext kann es kaum zugehen. Da sind einerseits die, die nichts besitzen, verstoßen, verachtet und verfolgt werden. Und anderseits die, die alles besitzen, im Rampenlicht stehen, denen man applaudiert und den roten Teppich ausrollt.
Bei diesem roten Teppich denke ich an zwei Dinge. Das erste ist die Lichtburg in Essen. Seit dem Bau dieses phänomenalen Kinosaals haben hier unzählige Premieren stattgefunden und alle nur denkbaren Stars und Sternchen sind über diesen roten Teppich gegangen, wurden von Fans belagert, fotografiert, sonnten sich im Blitzlichtgewitter, standen später vor der Leinwand und nahmen stehende Ovationen entgegen. Bei vielen Filmen auch vollkommen zu Recht, aber bei so viel Licht gibt es auch Schatten und so kann ich mich noch sehr gut an eine lahme Inszenierung erinnern, nach welcher das darstellende und inszenierende Personal unter lauten Bravo-Rufen auf die Bühne gespült wurde und ich eher aus purer Höflichkeit meinen Händen etwas Bewegung gönnte. Der Streifen war so übel, dass ich vergeblich auf die Uhr sah und nichts sehnlicher herbeiwünschte als den Abspann. Ein akuter Filmriss wäre eine Erlösung gewesen. Tja, und dann denke ich gerade an den aktuellen wie den vormaligen Papst und den einen oder anderen seiner Crew. Der aktuell zu besichtigende Streifen kommt in Form diverser juristischer Gutachten aus unglaublich öder und zermürbender Plot daher, die im Rampenlicht stehenden Protagonisten wandeln in edlem Tuch umher und präsentieren die Kruzifixgeschmeide am Halse. Dem Beobachter drängt sich der Gedanke auf, dass in dem Brustkreuz mehr von Gottes Geist zum Ausdruck kommt als in dem Handeln der Träger.
Und da sind dann die, die jahrelang unbeachtet und ungewürdigt blieben. Die Missbrauchten, die Benutzten und die Abgewiesenen. Denen man keinen Glauben schenkte und deren innere Frustrationen man als unwichtig abtat. So als könnte man aus einem erlittenen Trauma herauswachsen wie aus einer Hose in Kindergröße. Neben ihnen stehen die vielen Menschen, die sich immer noch in dieser Kirche engagieren. Vielleicht gerade wegen der wenigen, die die Nachrichten bestimmen, mehr als jemals zuvor. Die den Gedanken der Liebe wieder repräsentiert wissen wollen und deshalb nicht aus der Kirche austreten.
Ihnen wendet sich Jesus in diesem Evangelium zu. Ihnen sagt Gott: Ich sehe Dich. Ich sehe, was Dir angetan wurde. Ich sehe, worauf Du verzichten musst. Und ich sage Dir: Dein Leid ist endlich, aber ich werde mein Reich mit Dir teilen.
Und wenn ich gerade sehe, wie man mit denen, die trotz höchster Würde niedrigsten Gedanken folgten, umgeht, habe ich den Eindruck, dass man noch nicht einmal bis zum Gottesreich warten muss, bis das „wehe euch“ wahr wird.
Schön, dass sich Gott mit Ansage für die richtigen entschieden hat, mit denen er sein Reich teilen wird. Ihnen und mir wünsche ich die Ausdauer, aus der Armut heraus Kraft zu entwickeln. Gibt es ein schöneres Geschenk für den Menschen, der sich erbärmlich fühlt, als dass Gott ihn auf Seinen Thron setzt?
Einen reichen Sonntag wünsche ich Ihnen
Tim Wollenhaupt