21. Sonntag im Jahreskreis, 22.08.2021
Zum Evangelium nach Johannes 6, 60 – 69
60 Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören? 61 Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? 62 Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? 63 Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. 64 Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. 65 Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. 66 Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher. 67 Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? 68 Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. 69 Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
Du hast Worte des ewigen Lebens.
Es hilft, wenn man die Bibel nicht allzu wörtlich nimmt. Die Rede, die in Vers 60 des heutigen Evangeliums die Jünger verstört, ist in der Tat ein Hammer. Vorher hat Jesus verkündet, „wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (Joh 6, 56). Das klingt kannibalisch. Und vor allem, egal, welche Körpermaße Jesus tatsächlich gehabt haben mag: Dieses „Mahl“ wäre ausgesprochen endlich gewesen.
Aber Jesus ordnet ja gerade nicht an, seinen Tod abzuwarten und ihn dann zuzubereiten. Schon zu Lebzeiten sagt er von sich: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Vor drei Wochen war das Gegenstand der Erzählung im Evangelium. Wer also zu Lebzeiten schon „Brot“ ist, kann kein kannibalisches Rezept empfehlen.
Die, die das nicht erfassen, wenden sich ab. Sie haben die Rede wörtlich genommen und nicht weiter hinterfragt. Das in der Tat Unfassbare stößt sie ab und sie nehmen von der weiteren Konfrontation buchstäblich Abstand. Ein nachvollziehbarer Schritt. Aber die zwölf, die Jesus schon seit längerer Zeit begleiten und zu begreifen beginnen?
Essen heißt, etwas von außen in mein höchstpersönliches Inneres aufzunehmen. Es in mir wirken zu lassen, Kraft daraus zu schöpfen, vielleicht sogar Genuss. Nicht alles, was wir als Nahrung aufnehmen, verlässt später den Körper. Im Gegenteil: Ein wesentlicher Teil bleibt in uns und wird umgewandelt. Der Geschmack etwa wird Freude, Vitamine, Mineralstoffe und Energie stärkt uns, lässt uns leben, Sättigung wirkt beruhigend.
Wenn wir uns Jesu Worte als geistige Nahrung vorstellen, was heißt es dann, sie zu verinnerlichen? Sie so aufzunehmen, dass sie nicht wie Ballast wieder den Körper verlassen, sondern als Nahrung des Denkens und Handelns zu nutzen? Nun, eine Speise ist im Regelfall begreifbar. Man hat sie zubereitet. Im besten Fall sogar nett angerichtet, dekoriert und bei Kerzenschein serviert. Gott hätte es sich einfach machen können. Er hätte auf die Erde kommen und knackig verkünden können: Seht her, ich bin Euer Gott, ich bin allmächtig, ich habe euch erschaffen, haltet meine Gebote ein und wir sehen uns in der herrlichen Ewigkeit. Anderthalb Zeilen, einfacher Text, es hätte gereicht.
Aber hätten wir uns diese Worte tatsächlich zu Herzen genommen? Sie in uns bewegt und daraus Kraft gezogen? Ist es nicht die besondere Form des Wortes in Jesus, die uns in individuellen Rezepten immer wieder neu serviert wird? Einschließlich mit der Zusicherung, selbst als Nahrungsquelle zu dienen, nun ja, wenigstens als Würze („Ihr seid das Salz der Erde“, Mt 5, 13)? Und kann man sich für Gottes Wort etwas Besseres vorstellen als ihn selbst als Interpreten? Mit dem Heiligen Geist als dauerndem Nachhall?
Die Evangelien, die wir sonntags lesen, wiederholen sich. So, wie es auch in jedem Speiseplan Wiederholungen gibt. Darin liegt auch der Grund, dass nicht immer wieder derselbe Text durchgekaut wird. Es gibt doch auch nicht exakt dieselben Zutaten, nur weil es dasselbe Rezept gibt. Es wird immer wieder anders schmecken und je nach zugeführter Menge unterschiedlich sättigen.
Dieses Mahl ist eine ständige Einladung, Platz zu nehmen, zu kosten und geteilt zu werden. Ein weitergesagtes Wort wird nicht weniger, vielmehr verteilt es sich weiter. So wird das Wort Gottes zur nicht endenden Speise. Nicht für den Magen, sondern für das Leben.
Bon appétit!
Tim Wollenhaupt