Zum Evangelium Joh 6,41-51 vom 19. Sonntag im Jahreskreis, 8. August 2021
Das heutige Evangelium beginnt mit dem Murren – und die alttestamentliche Lesung erzählt vom Propheten Elija, der am Ende ist. Situationen und Stimmungen, die auch wir kennen und die auch gerade unsere gegenwärtige kirchliche Situation kennzeichnen: Der unzureichende Umgang mit den Gegebenheiten des sexuellen Missbrauchs in der Kirche, Enttäuschung über das Versagen kirchlicher Autoritäten, der verhallende Ruf nach grundlegenden Reformen und Unzufriedenheit über erstarrte Strukturen und Traditionen … Massenhafte Kirchenaustritte und lautstarke Proteste … dazu die Kraftlosigkeit und das Versagen der Kirchen während der Pandemie … Ist das noch die Kirche Jesu Christi, zu der wir uns bekennen wollen und können? Nicht wenige Gläubige sind am Ende ihrer Kraft, verzweifelt wie Elija. Fühlen sich abgeschnitten vom Brot des Lebens.
Aber Gott lässt Elija unter dem Ginsterstrauch nicht sterben, obwohl der sich nur noch den Tod wünscht!
Vielmehr schickt er ihm einen Engel, der „rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot … und einen Krug mit Wasser.“ (1 Kön 19,5f)
Steh auf und iss! Von dem Brot, das schon neben mir liegt, ohne dass ich es bisher sehen konnte – weil ich so verzweifelt war; weil mir meine Vorurteile, die Tränen der Wut oder der Trauer den Blick verstellten …
Wenn der Evangelist Johannes vom „Brot des Lebens“ und dem „lebendigen Brot“ spricht, müssen wir wohl den Tisch des Brotes in der lebendigen Gemeinschaft der Jesus-Jünger mitdenken. Das Leben, das im „Brot vom Himmel“ enthalten ist, kann erfahrbare Wirklichkeit werden im österlichen Miteinanderleben der Getauften, in ihren Häusern und an den gemeinsamen Tischen.
Das aber scheint gerade nicht unsere gegenwärtige Kirchenerfahrung zu sein, s. Oben! Um so wichtiger ist mir, dass wir die Bibeltexte des heutigen Sonntags an uns heranlassen: Lassen auch wir uns wecken von dem Engel und seiner Einladung: Steh auf und iss! Von dem Brot des Lebens und der stärkenden Kraft, die auch heute nahe ist, die ich hier und jetzt neu entdecken und annehmen muss:
– das Wort, das Mut macht und Kraft gibt
– eine Freundschaft, die aufrichtet und stärkt
– die Möglichkeit, meine Wirklichkeit anders zu sehen, Vorurteile fallen zu lassen
– die Chance, Vertrautes loszulassen und Neues zu wagen …
Burkhard Schönwälder