Zum Evangelium vom 5. Sonntag nach Ostern: Joh 15, 1-8 (2. Mai 2021)
Bleiben oder gehen? In der Herde bleiben oder sich von der Herde und ihren Hirten trennen? Das ist heute für viele Gläubige die Frage. Darauf will das heutige Evangelium eine Antwort geben. Eine Antwort, die jede(n) von uns zu einer persönlichen Entscheidung einlädt. Dabei geht es ums Ganze, um den Sinn meines Lebens.
Im heutigen Evangelium hören wir einen Abschnitt aus den sog. „Abschiedsreden Jesu“ im Johannesevangelium. Am Abend vor seinem Leiden spricht Jesus vom Weinstock, ein Bildwort, das alle Juden aus den Psalmen und der prophetischen Verkündigung kennen: „Der Weinberg des Herrn … ist das Haus Israel“ (Jes 5,7). Diesen Weinberg hat Gott selbst gepflanzt, und er kümmert sich darum wie ein Weingärtner, damit er gute Früchte hervorbringt. Aber er trägt keine guten Früchte, sondern nur „faule Beeren“ (Jes 5,4).
In seiner Rede an seine Jünger nimmt Jesus das Bildwort auf und gibt ihm eine aktuelle Bedeutung:
„Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Alle Reben am Weinstock, die keine Trauben tragen, schneidet er ab. Aber die fruchtbringenden Reben beschneidet er sorgfältig, damit sie noch mehr Frucht bringen. Ihr seid schon gute Reben, weil ihr meine Botschaft gehört und angenommen habt. (…)
Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, in dem kann ich wirken, und er wird viel Frucht tragen. Wer sich aber von mir trennt, der bleibt unfruchtbar. (…)
Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.“
(Joh 15, 1-3; 5; 8 – „Eine Übersetzung, die unsere Sprache spricht“)
Im Bild vom Weinstock und vom Fruchtbringen geht es nicht bloß um ein spezielles Naturphänomen, sondern letztlich um die Frage nach dem Geheimnis des Lebens: wie sich nämlich der Sinn des Lebens erfüllt. Der Sinn des Weinstocks erfüllt sich darin, dass er gute Trauben wachsen lässt, die die Menschen genießen können und aus denen der Wein entsteht, der „des Menschen Herz erfreut“ (Ps 103,15).
Dieses Bild steht also für sinnen-hafte Lebens-Freude. Im Bild vom wahren Weinstock erschließt mir Jesus den Sinn seines Lebens, ganz ähnlich wie im Gleichnis vom guten Hirten, wo Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10) – Auch im Bildwort vom Weinstock und den Reben geht es um „Leben in Fülle“ und deshalb um die Fruchtbarkeit der Reben. Die guten Früchte können nur wachsen, wenn die Rebe am Weinstock bleibt, mit ihm verbunden bleibt. Nur dann kann die Kraft des Weinstocks, kann Jesus wirken und Frucht hervorbringen.
Deshalb lädt Jesus jede(n) von uns ein: Bleib mit mir verbunden! Denn nur so kann der wahre Weinstock gute Früchte hervorbringen. Es geht um seine Entscheidung, die jede(r) von uns ganz persönlich trifft: Bei Jesus bleiben, mit ihm verbunden bleiben oder mich von ihm trennen. „Wer sich aber von mir trennt, bleibt unfruchtbar.“ (Joh 15,5)
Es geht um den Sinn meines Lebens, und der erfüllt sich nur, wenn ich mit ihm verbunden bleibe und reiche Frucht bringe.
Bei ihm bleiben und mit ihm verbunden bleiben – das ist konkret wohl so vielfältig, wie wir Menschen sind: sich auf eine persönliche Beziehung mit Jesus einlassen, seine Gemeinschaft suchen, z.B. im (online-)Gottesdienst der Gemeinde, mit ihm im Gespräch bleiben („beten“), auf sein Wort hören, seine Botschaft hören und annehmen, seinen Willen erfragen und danach handeln – als Mensch und Christ*in heute …
So ermutigt mich das heutige Evangelium, auf die Ausgangsfrage ganz persönlich zu antworten: Ich bleibe bei Jesus, damit mein Leben fruchtbar wird. Und weil Jesus und seine Lebensbotschaft nur so fruchtbar werden kann, wenn du und ich bleiben und er in uns und durch uns wirken kann.
Burkhard Schönwälder