Darstellung des Herrn, 02.02.2020 – Zum Evangelium nach Lukas 2, 22 – 40
Zufällig ist dieses Evangelium an einem bemerkenswerten Sonntag zu lesen, am zweiten Zweiten Zwanzigzwanzig. Und ebenso bemerkenswert wie das Datum ist auch der Inhalt.
Ein uralter und recht schwacher Werbespruch der Touristikindustrie lautete „Venedig sehen und sterben“. Wer die Lagunenstadt einmal erlebt hat, dem kann nichts mehr begegnen, was die Eindrücke toppen kann. So eingängig der Slogan ist, so schwach ist er im Inhalt. Doch er fußt offenbar auf dem Inhalt des heutigen Evangeliums. Da wartet ein Mensch, auf dem der Heilige Geist ruht, auf den Trost und die Erlösung des gesamten Volkes. Eine innere Stimme führt ihn in den Tempel und dann durchfährt ihn die Erkenntnis, dass die ersehnte Kraft nun gegenwärtig ist. Mit Beruhigung kann Simeon nun gehen. Nicht seines Weges, sondern aus der Welt.
Wann durchzuckt mich eine erleuchtende Erkenntnis in meinem Leben? Jedenfalls niemals auf Bestellung. Leider, kann man sagen. Oder auch Gottseidank. Denn wüsste ich vorher schon, dass mir ein Licht aufgeht, wäre meine Begeisterung gewiss überschaubar. Wenn ich etwas an meinem christlichen Leben schätze, dann die Tatsache, dass ich immer wieder überrascht werde.
Zugegeben, ich sitze selten im Tempel und warte auf eine göttliche Eingebung. Ich erwarte auch nicht die Erlösung der Welt von allem Übel und schon gar nicht befürchte oder erwarte ich, dass ich selbst nicht sterben werde, bevor ich den großen Erlöser gesehen habe.
Muss ich auch gar nicht. Denn das, was der Welt helfen kann, ist längst aufbeglitzt. Ist längst wie ein Strahl gleißenden Lichtes ins Dunkel dieser Welt gefahren. Es kommt ganz unaufgeregt daher, als schwarzer Text auf weißem Papier. Ein wenig Tinte reicht aus, um aus einem unbeschriebenen Blatt eine großartige Zusage zu machen: Er starb, damit Du nicht sterben wirst. Er stand auf vom Tod, damit Du das Leben hast.
Ein wenig kann ich Simeon verstehen. Denn mit immerhin fünf Jahrzehnten Lebenserfahrung auf dem eigenen Buckel habe ich schon manches Kleinstkind gesehen und bei ganz wenigen war schon lange, bevor diese Wesen einen eigenen Satz formulieren konnten, klar, dass da ein großartiger Mensch heranwächst. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, aber bislang habe ich meine Prognosen noch nie getäuscht gesehen. Es ist ein beruhigendes Gefühl, in das Gesicht eines solchen Kleinkindes zu sehen und diesen Blick später zu wiederholen. Simeon ist entspannt und verlässt sich darauf, dass sein Volk nun gerettet ist. Ich bin entspannt, weil ich inmitten der großen Zampanos dieser Welt eine ganze Reihe Menschen gesehen habe, die ganz einfach eine wunderbare Alternative leben. Eine Alternative, die mit jeder freundlichen Geste ein Licht in meinem Herzen entzündet und ganz leise, aber doch unüberhörbar, darum wirbt, es nachzuahmen. Ich bin nicht Simeon. Aber mit meinen Augen kann ich auch sehen, was diese Welt heil machen kann.
Und damit auch Sie. Halten Sie die Augen offen. Ich wünsche Ihnen einen heilenden Geistesblitz.
Tim Wollenhaupt