Fest der Heiligen Familie, 29.12.2019
Zum Evangelium nach Matthäus 2, 13-15, 19-23
Man könnte ganz trocken bemerken, dass das Christentum von Anfang an nichts für Menschen ist, deren natürlicher Lebensraum das heimische Sofa ist. Immer wieder hören wir Aufforderungs-Zitate in der Bibel, bei denen der Ortswechsel das eher kleinere Übel ist. Wer schon mal einen Umzug bewältigen musste, weiß, was das allein schon für eine Arbeit ist. In der Bibel wird mal dazu aufgefordert, alles zu verkaufen und Jesus nachzufolgen. Das erfolgt erst viel später und ist immerhin weitgehend friedlicher Natur. Doch hier geht es um Leben und Tod.
Josef, der noch vor der Niederkunft Mariens mit dem Gedanken spielte, seine schwangere Verlobte zu verlassen und durch einen Traum davon abließ, wird nun zum Beschützer von Jesus und Maria. Vom Abtrünnigen zum Bodyguard. Nicht als Karrieresprung, sondern als Realisierung einer alten Weissagung.
Einerseits könnte man nun sagen: Ein seltsamer Allmächtiger, dieser Gott und sein Sohn Jesus. Wenn er schon allmächtig ist, warum schützt er dann nicht selbst sein Kind vor Herodes? Warum macht er den, der Jahrzehnte später vom Tod auferstehen soll, nicht schon im Kleinkindalter so besonders, dass er dem Tod widerstehen kann?
Einerseits denke ich nicht, dass man Gottes Handeln erklären kann. Andererseits erscheint es mir logisch, wenn man eine Prophezeihung realisieren will, sich an den Wortlaut zu halten. Tatsächlich wäre es wohl kaum eine Sensation gewesen, wenn ein Kind getötet worden wäre, von dessen Existenz außer Maria und Joseph nur ein paar Hirten und einige Sterndeuter Kenntnis genommen haben. Selbst dann, wenn das Kind überleben oder gar auferstehen würde, wer könnte das als Besonderheit werten? Als Jesus gekreuzigt wird, weiß offenbar ein Großteil der Bevölkerung immerhin, wer gekreuzigt wurde und kann mit der Auferstehung deutlich mehr verbinden.
Aber vielleicht geht es hier gar nicht um diese Frage von Tod und Auferstehung. Vielleicht ist diese Episode eher etwas höchst Menschliches: Ein kleiner Mensch kommt zur Welt, eine winzige Ahnung von Gott tritt in mein Leben. Ich bin frei und kann diese Ahnung links liegen lassen. Oder ich gebe auf diese Ahnung Acht und trage sie mit mir. Gebe ihr Nahrung und lasse sie heranwachsen, bis aus der Ahnung Vertrauen wird, ein Glaube wächst. Bis ich langsam zu begreifen beginne, was für ein unfassbares Geschenk hinter dem Offensichtlichen wie Tod und Auferstehung steht.
Das Erwachsenwerden im Glauben ist mit Zweifeln, mit Fragen und deren Nichtbeantwortung verbunden – wie das normale Erwachsenwerden auch. Und irgendwann ist Glaube nicht das alte Gebäude mit dem Glockenturm in der Stadt, der Herrgottswinkel in einer Bayerischen Gastwirtschaft oder das Kruzifix über dem Bett, sondern etwas in mir, was ich überall hin mitnehme, es behüte und es lebendig werden lasse. Genau so, wie ein Kind zu sprechen beginnt, mir irgendwann seine Sicht der Welt erklärt und dereinst mein Leben leitet, ist mir mein Glaube anvertraut. An mir selbst liegt es, ob ich von ihm ablasse oder mit ihm und durch ihn wachse.
Nehmen wir also die Ahnung von Gottes Liebe wahr und tragen wir sie im Herzen mit uns durch unser Leben. Wer weiß, was aus dieser Liebe für ein Leben erwachsen kann.
Geben Sie gut auf sich Acht. Und auf das, was Ihnen am und im Herzen liegt.
Tim Wollenhaupt