Zum Evangelium Lk 10, 1-12. 17-20 am Sonntag, den 7.7.2019
Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind.
Der erste Gedanke sei zwar meistens der richtige, sagt ein Sprichwort, aber manchmal täuscht der erste Eindruck auch ganz gewaltig. Manchmal ist eine Sache eben so neu, dass wir ganz schön Zeit brauchen, um uns mit ihr anzufreunden und angemessen darauf zu reagieren. Manchmal sind wir aber auch nur so von langjährigen Gewohnheiten geprägt -, Gewohnheiten, die uns so stark gefangen halten, – dass wir auch beim besten Willen nur schwer auf neue Situationen reagieren können.
Dinge richtig einzuschätzen, und sie als das zu sehen, was sie wirklich sind, und dann das Wichtige, das Entscheidende an ihnen zu entdecken, das braucht eben den richtigen Blickwinkel – und manchmal braucht es gar einen neuen Blickwinkel.
„Freut euch nicht darüber, dass Euch die Geister gehorchen!“ hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt. „Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!“ Das war entscheidend. Das war der Hintergrund, auf dem Jesu Botschaft zu verstehen ist. Nur hatten die Jünger offenbar keine Augen dafür. Jesus musste den Blick der Jünger für das Wesentliche erst schulen.
Ich glaube, Jesus müsste unseren Blick auch heute wieder schulen, und zwar an ganz vielen Ecken und Enden!
Auch wir müssen wieder lernen, dem Gefängnis allzu gewohnter Ansichten zu entfliehen, neue Blickwinkel zu finden, die uns das Entscheidende erst wirklich erkennen lassen. Auch wir brauchen neue Augen, um erst einmal zu entdecken, was hinter vielem wirklich dahinter liegt.
Da schielen die Verantwortlichen nach vollen Kirchen. Und dabei müssen wir uns doch die Frage stellen, ob es Jesus nicht vielleicht auf etwas ganz anderes ankommt. War ihm nicht sehr viel wichtiger, dass Menschen sich für andere einsetzen, für kranke Angehörige etwa, für die, die am Rand stehen, einsam oder verlassen sind?
Vielleicht ist ihm das Aufbrechen einer neuen, wirklichen Beziehung zu Gott – irgendwo ganz in der Stille -, ja tatsächlich sehr viel wichtiger, als alle großen und spektakulären Gottesdienste – und seien sie noch so medienwirksam inszeniert.
In Jesu Augen, wird Wert und Bedeutung nach anderen Maßstäben gemessen, als wir es gewöhnlich tun. Das macht auch das heutige Evangelium ganz klar.
Manchmal muss man eben zweimal hinschauen, manchmal braucht man einen anderen Blickwinkel.
Worauf es sich lohnt, sein ganzes Augenmerk zu richten, erschließt sich manchmal erst auf den zweiten Blick, und manchmal erst dann, wenn man sich aus der Umklammerung allzu lieb gewordener Gewohnheiten, wenn man sich aus der Enge altvertrauter Blickwinkel wirklich befreit.
Jesus hat seinen Jüngern die Augen geöffnet. Lernen wir mit seinen Augen zu sehen.
Josef Winkler