1. Sonntag der Bereitungszeit, 10.03.2019
Zum Evangelium nach Lukas 4, 1 – 13
Fünf Sonntage der Bereitungszeit beginnen heute ihre Serie. Mir ist nicht bekannt, wie voll Ihr Terminkalender ist, doch es wird viele geben, die schon jetzt Probleme haben werden, in den kommenden Wochen einen freien Platz darin zu finden – ganz abgesehen von der Frage, gemeinsame freie Zeiten in mehreren Kalendern unterschiedlicher Menschen zu finden. Und wenn ich an die Smartphone-Junkies denke, die auch an Urlaubstagen mehr von ihrem Bildschirm sehen als von ihrem Urlaubsort, dann sehe ich das heutige Evangelium vom Beginn an mit anderen Augen.
Vierzig Tage führt der Geist Jesus in der Wüste umher. Wann haben Sie sich zum letzten Mal etwas mehr als fünf Wochen lang nur von ihren Gedanken treiben lassen? Besser gesagt: Wann hat man Ihnen gestattet, sich so lange vom Gemeinschaftsleben mit all den dazu gehörenden Verpflichtungen abzuseilen? Mancher Mensch, der sich heute vom Berufsleben befristet abmeldet, um ein Sabbatjahr zu nehmen oder in Elternzeit zu gehen, wird von vielen Mitmenschen misstrauisch beäugt. Die höflichste Frage ist dann noch, ob es mit dem Geld in der Zwischenzeit reichen wird. Und bisweilen steht am Ende einer Darstellung ein mehr als skeptisches „na, Du musst ja wissen, ob das klappt.“
Bei Jesus klappt diese Zeit für sich und den Geist jedenfalls nicht. Wie menschlich. Isoliert von allem anderen steigern sich die Versuchungen, die kleinen und großen Ausbruchsangebote. Offenbar kommen die Versuchungen nicht daher wie ein verführerisches Stück Schokolade. Glänzend verpackt, aromatisch im Duft, schmelzend auf der Zunge. Na, fühlen Sie schon den Geschmack? Ich schon. Wie verführerisch muss es da sein, wenn einem nach mehr als fünf Wochen des Verzichts unendlicher Reichtum, reichliches Essen und Allmacht angeboten werden. Die Bibel bezeichnet das mit Bild des Teufels. Sie blicken nun in Ihren Kalender und winken ab: Keine Zeit. Weder für die lange Strecke zu sich selbst, nein, selbst für einen wie auch immer gearteten Teufel finden Sie keinen Platz in Ihrem Kalender, klappen ihn zu und sagen sich, dass Sie diese Geschichte im Evangelium gar nicht betreffe.
Solche Gedanken kenne ich. Und dabei habe ich gar nicht bemerkt, dass der Teufel bisweilen schon im Kalender herumgewirbelt hat. Denn alles, was da steht, kann ich auch als Ablenkung verstehen. Als Ablenkung von dem, auf den es ankommt und der mich unablässig in meinem Leben über den Tod hinaus begleitet. Mache ich mir das klar, wenn ich nasche? Wenn ich in einem beruflichen Termin für meine Ansichten streiten muss? Wenn ich lange auf einen Termin warten musste und dieser aus nichtig wirkenden Gründen abgesagt wird?
Ganz zum Beginn der vorösterlichen Bereitungszeit lädt dieser Sonntag dazu ein, meinen Standpunkt zu überdenken. Stelle ich Gott über alles in meinem Leben? Fällt mir immer eine Antwort ein, die nicht nur clever klingt und rhetorisch toll ist, sondern die auch in ihrer Begründung solide und einwandfrei ist? Ich komme bei diesen Fragen zu dem Ergebnis, dass ich in meinem Kalender ganz bewusst Zeiten einbauen muss, in denen ich mich meinen eigenen kritischen Fragen stellen muss. Diese Zeiten sind notwendig, um sich neu auszurichten und zu fragen, ob in mir ein Fenster offen steht, damit wenigstens ab und zu ein wenig Geist durchwehen kann. Und vielleicht erlebe ich dann, dass auch in meinem Leben der Versucher für eine Weile Abstand von mir hält.
Ihnen wünsche ich eine geistreiche Bereitungszeit.
Tim Wollenhaupt